Ihre Geburt war reiner Zufall und sie hatte nie eine sehr große Verbreitung. Gemeint ist die Schwingspitze! In den frühen 50ern des vergangenen Jahrhunderts wollte ein findiger Engländer die Bissanzeige an den seinerzeit doch recht bockigen Grundruten verbessern. Er griff also zu einem Stück Fischbein, Glasfasermaterial war noch nicht so bekannt und verbreitet und befestigte es zusätzlich an seiner Rutenspitze. Dann begann er das Fischbein zu schaben, denn er wollte eine möglichst feine Bissanzeige haben. Dem Manne schwebte das vor, was man heute eine Zitterspitze nennt. Indess, er schabte zu viel und das Fischbein knickte ihm beim ersten Probefischen knapp oberhalb der Befestigung ab. Ziemlich lose schlackerte es von seiner Rute und weil er nun schon mal am Wasser war fischte er auch damit. Siehe da, die Bissanzeige war so fein, wie er es sich nicht zu erträumen gewagt hatte. Die Swingtip war geboren!
Seit jenen Tagen hat sich bei den Angelruten und den Materialien, aus denen man sie baut enorm viel getan. Die Schwinge aber hat sich nur sehr wenig verändert.
Noch heute wird sie am Spitzenring befestigt und sie baumelt herab, als sei die Rute gebrochen. Vielleicht ein Grund dafür, warum sie sich nie so richtig durchsetzen konnte. Da halfen auch die guten Ratschläge des legendären Rudolf Sack nichts, der sie in den höchsten Tönen lobte.
Es gibt eine ganze Reihe von Situationen, wo man ganz einfach mit der üblichen Posenmontage keine ausreichend feine Form des Angelns mehr darstellen kann. Sei es nun der Wind, Nebel, Dunkelheit, die Entfernung, oder der Wunsch, mit einem kleinen Futterkorb auf Grund zu fischen, man muss nicht auf eine ultrafeine Bissanzeige verzichten. Zwar könnte man auch zur Zitterspitze greifen, aber die ist auch noch um einiges gröber, als eben die Schwinge!
Ganz klassisch ist ihr Einsatz beim Fischen auf die meist sehr scheuen und sensiblen Schleien. Es gibt keine andere Grundangelmethode, die ihr hier auch nur annähernd das Wasser reichen könnte! Selbst das noch so zögerliche Nuckeln der Tinca überträgt sie deutlich an den Angler, teilweise besser, als es eine Pose vermag.
Wie sieht sie aus, die ideale Schwingspitzrute?
Entgegen der früheren Art nimmt man heute Ruten mit einem straffen Rückgrad und einer semiparbolischen Aktion. Damit lässt sich einfach besser der Anhieb durchbringen und auch der Drill größerer Beute ist kein Problem mehr. Die Ruten messen so zwischen 270 cm und 360 cm, wobei diese Länge wirklich die oberste Grenze darstellen sollte. Ideal sind nach meiner Meinung 300 cm. Die Spitze ist nicht zu weit vom Auflagepunkt am Rutenhalter entfernt, sie hängt nicht durch und Wind und Wellen können kaum Schwingungen auf sie übertragen, was letztendlich die objektive Anzeige der Spitze beeinträchtigen würde. Die Testkurven dieser Ruten betragen rund 1.50 lbs., was einem Wurfgewicht an die 50 gr. entspricht. Also ideal für leichtere Grundblei- und Futterkorbmontagen.
Das A&O ist aber der besondere Spitzenring, der all diesen Ruten zu Eigen ist. Er hat in der Verlängerung der Tube ein feines Gewindestück, in welches ein kleiner Zapfen eingeschraubt wird. Auf diesen Zapfen schiebt man nun das Stück Gummischlauch, welches die flexible Verbindung zur Schwinge herstellt. Das ist reine Bissanzeige und hat mit den aktiven Eigenschaften der Rute nicht das Geringste zu tun! Diese Gewindeendringe sind auch einzeln erhältlich, wodurch sich ohne besonderen Aufwand jede geeignete Angelrute zur Schwingspitzrute umbauen lässt, ohne das sie für den eigentlichen Verwendungszweck verloren wäre. Eine sehr kostengünstige Variante, die mit höchstens 6,- € zu Buche schlägt.
Die verschiedenen Schwingspitzen
Je nach Bedingung fischt man unterschiedliche Spitzen. Es gibt sie kurz, lang, schwer, leicht, mit verschiebbaren Zusatzgewichten, mit Knicklichthalterung, oder mit einem halbfesten Winkelgummi für den Einsatz in mäßig strömenden Flüssen. Grundsätzlich gilt hier, wie beim Posenfischen, so fein wie möglich und so schwer, wie nötig. Je kürzer und schwerer die Swingtip ist, desto unsensibler ist die Bissanzeige. Dadurch wird sie aber auch weniger durch den Wind, oder die Strömung beeinträchtigt.
Normalerweise greift man zu den käuflich erwerbbaren Spitzen aus Glasfaser. Sie werden fix und fertig mit Gummi und dem Gewindezapfen angeboten. Die beiden Schnurführungsringe sind dabei meist aus einfachem Draht geformt. Das hat nichts zu bedeuten, dienen sie doch nur der einfachsten Führung der Schnur. Dem geneigten Bastler steht hier natürlich Tür und Tor offen, sich seine Spitzen individuell herzustellen und sie somit den speziellen Bedingungen anzupassen.
Die passenden Montagen
Entsprechend der Feinheit der Anzeige, greift man selbstverständlich auch zu den dazu passenden feinen Montagen. Grobes Zeug, wie Sargbleie, oder Durchlaufröhrchen haben hier absolut rein gar nichts zu suchen! Mit zwei wirklich einfachst zu erstellenden Montagen ist man mehr als gut bedient.
Das feste Paternoster
Zuerst bindet man in das Ende der Hauptschnur eine große Schlaufe. Sie sollte in fertigem Zustand und gestreckt etwa 30 bis 45 cm messen, wobei oben aus dem Schlaufenknoten etwa ein 25 cm langes Stück Schnur ragen sollte, welches dann als Bleiseitenarm fungiert. Nun schneidet man die Schlaufe knapp unterhalb des Knotens auf, so dass das Hakenvorfach entsteht, an welches man direkt den Haken bindet. An den Bleiseitenarm klemmt man nun so viele Bleischrote, dass man gerade eben den Angelplatz erreichen kann. Fertig ist das klassische Straight Paternoster.
Die Schlaufenmontage
Wie fischt man mit der Schwingspitze?
Der Wurf
Am Anfang wird sicher jeder mit diesem wackeligen Etwas, das plötzlich von der Rutenspitze baumelt so seine Probleme haben. Ganz besonders die Angler, die sich beim Spinnfischen einen sehr ruckartigen und kraftvollen Wurfstil angeeignet haben! Wer mit der Swingtip wirft, wie mit einem Blinker, der wird nur sehr wenig Freude erfahren.
Nur mit sauber gezogenen und sehr gefühlvoll beschleunigten Würfen kann man das Pendeln der Spitze in den Griff bekommen, so dass sich die Spitze nicht überschlägt und womöglich die Schnur verwickelt. Das führt dann entweder zu Beschädigungen, oder gar zu Totalverlusten.
Die Ablage der Rute
Hier benötigen wir zwei ordentliche Erdspieße mit einer Feeder-, oder „V“-Ablage vorne und einer „U“-Ablage hinten. Andere Rutenhalter sind leider gänzlich ungeeignet. Diese zwei Spieße platzieren wir nun so, dass der Griff der Rute sehr nahe zu unserem Sitzplatz zeigt, so dass man ohne Verrenkungen aus dem Sitzen heraus anschlagen kann. Die Rute zeigt dabei in gerader Richtung zum Köder und sie neigt sich so zum Wasser, dass bei ruhigem Wetter die Spitze gerade eben über dem Wasser schwebt. Bei windigen Bedingungen darf sie ruhig auch ein paar Zentimeter ins Wasser reichen. Damit eliminiert man das Geschaukel durch den Wind.
Nun geht es ans Einstellen der Spitze für eine optimale Bissanzeige.
Beim Straight Paternoster können sich die Bisse entweder als sogenannte Fluchtbisse (Fisch zieht vom Angler weg), oder Fallbisse (Fisch schwimmt auf den Angler zu) darstellen. Deshalb ist die Spannung der Schnur so zu wählen, dass die Spitze sowohl nach vorne ausschlagen, als auch nach hinten zurückfallen kann.
Bei der Schlaufenmontage entfällt dies. Hier wird sich, egal in welche Richtung der Fisch zieht, der Biss immer als ein Ausschlagen der Swingtip bemerkbar machen. Wieder ein Argument mehr diese Montage dem Anfänger in Sachen Schwingspitzanglen zu empfehlen. Kombiniert er das mit einer relativ langen und schweren Spitze, hat er zwar nicht die allerfeinste Indikation, aber er tut sich entschieden am leichtesten!
Der Anhieb
Üblicherweise parriert man einen Biss beim Angeln mit einem entschlossenen Nachobenziehen der Rute. Das ist grundsätzlich nicht falsch, aber gerade beim Swingtipping gibt es eine bessere Alternative, die sich auch beim Wagglerfischen, oder der Fischerei mit der Feederrute sehr bewährt.
Bei diesen Methoden befindet sich beinahe die ganze Schnur unter Wasser. Schlägt man nun senkrecht nach oben an, so wird ein Großteil der Energie des Anhiebes in der Reibung des dabei entstehenden Schnurbauches im Wasser verpuffen. Bei entsprechenden Wurfweiten kommt so kaum noch Power am Haken an und die Quote der Fehlbisse nimmt sehr stark zu. Schlägt man dagegen waagerecht zur Seite und nach Hinten an, so entsteht dieser Schnurbogen erst gar nicht, folglich geht die Kraft viel direkter auf die Hakenspitze über, die so sicherer im Maul der hoffentlich ansehnlichen Beute greift.
Wieso also nicht mit der Schwingspitze angeln?
Dazu fällt mir beim besten Willen keine plausible Antwort ein!
Sei es nun beim spätherbstlichen Ansitz auf prachtvolle Rotaugen, die weit draussen am Fuss der Scharkante ihr Winterlager bezogen haben, oder auf die heimlichen Schleien und Karauschen, die wahre Ewigkeiten am Köder nuckeln und beim geringsten Widerstand loslassen. Die Schwinge bietet eine feine und trotzdem einfach Bissanzeige. Weite Würfe, bei denen man die Pose kaum mehr sieht, oder eine gemeine Oberflächendrift lassen sie eiskalt. Selbst beim Aalfischen kann man sie, die entsprechend stabile Version der Ausrüstung vorausgesetzt, blendend verwenden. Gerade im aufkommenden Frühjahr, wenn die Schlängler noch sehr zart und mißtrauisch zu Werke gehen. Selbst ihre zartesten Bisse lassen sich rasch anschlagen und man vermeidet nebenbei das tiefe Schlucken! Ein kleines Knicklicht, mit Tesafilm macht sie absolut nachttauglich. Das ist um Längen billiger, als ein elektronischer Bissanzeiger, feinfühliger als das übliche Ü-Ei und viel nervenschonender, als die ständige Bimmelei der antiquierten Aalglöckchen!
Ein Tipp zum Schluss für sparsame und unentschlossene Zunftbrüder
Wer nun keine extra Schwingspitzenrute für einen Versuch anschaffen will, oder kann, wer keine Rute umbauen möchte, aber eine Feederrute in seinem Beritt hat, dem kann geholfen werden!
Bei jeder Feederrute ist wenigstens eine Wechselspitze dabei, die man nie benutzt. Meistens ist das die härteste davon.
Die steckt man nun in den Blank ein und markiert sich eine Stelle gut 5 cm oberhalb der Steckverbindung. Die Spitze wieder abziehen und genau an dieser Stelle mit einer feinen Metallsäge durchschneiden. Nun nur noch die beiden Teile mit einem flexiblen Siliconschlauch wieder so verbinden, dass eine gut bewegliche Verbindung ensteht und sich die Ringe in einer Flucht befinden. Fertig ist die Schwingspitze für die Feederrute!
Wer nun seine Spitzen nicht zersäbeln möchte, der findet garantiert im Angelladen seines Vertrauens eine passende Ersatzspitze. Die ganz bocksteifen Steckerl dürften auch für ganz kleines Geld zu haben sein, da sie ja eh keiner haben möchte. Wenn sie nicht ganz passen sollten, mit etwas Schmirgepapier kann auch hier die richtige Passung erzielen.
Zum Schluss vom Schluss
Probiert es einfach bei nächster Gelegenheit einmal aus und ihr werdet auch feststellen, dass dieser supersensible Bissanzeiger völlig zu Unrecht verkannt wird. Die schönen Fänge werden auch Euch die dummen Sprüche der Unwissenden vergessen machen. „Mutti kuck mal, der fischt ja mit einer zerbrochenen Angel!“