Sommerferien, Montagmorgen, 7.34 Uhr ab Bern...der Pendolino ist voll und hat bald Verspätung. Für die Centovallibahn reicht es noch, für den Bus das Vallemaggia hoch nicht. Also Daumen raus in Ponte Brolla und siehe da - ein Fischer mit seinem kleinen Sohnemann bremst. Wir unterhalten uns unterwegs in einem Gemisch aus Englisch und Italienisch. Ich müsse mit der Fliege in den Bächen meint er, neinnein, und abgesehen davon, dass ich das noch gar nicht beherrsche, ich wolle zu diesen Seen hoch. Könnte er ein bisschen Gas geben? Die Gemeindekanzlei in Maggia habe bald geschlossen. Wir brettern durch das Tal, ich rufe sicherheitshalber noch an und freundlicherweise warten sie bis kurz vor Mittag - yes!
Dann soll's weiter gehen, die Lust am Autostoppen ist erwacht, eine alte Dame nimmt mich mit. Später muss ich dann doch noch den Bus nehmen. Vor lauter Aufregung steig ich zu früh aus und muss laufen. Diese Etappe verkürzt ein Holländer, der mich durch das Val Bavona bis zum Wasserfall bei Foroglio mitnimmt.
Von hier aus sind es 5 bis 6 Stunden. Mit ca. 18 Kilo Gepäck auf dem Buckel eher noch länger. Zwei schwerhörige Pensionäre staunen, als sie von meinen Plänen hören. Ich sei doch sicher Füsilier gewesen im Militär... - nein, Koch. Hoch? Hochgebirgsfüsilier? Nein KOOOCHHH!!! Ach so, ja aber stäcketööri, Hut ab, allemal.
Ist dieses erste, steile Teilstück geschafft, führt die Wanderung während ca. 1 Stunde durch das Val Calnègia. Wunderschön ist der Bach dort, und es tummeln sich stattliche Farios darin. Sie bleiben aber unbehelligt. There is always a next trip!
Bei Calnègia mache ich Rast - es stehen mir noch über 1000 Höhenmeter bevor... Gedanken an einen Rusticoausbau kommen auf, nicht das erste Mal.
Dann wird's richtig heavy. Der Weg besteht zwar zum Teil aus Steinblöcken, die wie eine endlos scheinende Treppe angelegt sind, aber die Beine werden schwerer und schwerer. Ich ziehe mich mit den Armen an den Stöcken, die ich den Gelenken zuliebe mitgebracht habe, hoch. Die Vegetation ist überwältigend, man wähnt sich weit weg von allem. Und wieder einmal frage ich mich: "Wozu in die Ferne schweifen...".
Ich bin schon fast oben, da fliegt ein Heli runter ins Tal. 'So pervers heeeyyy....'. Aber es ist wie mit dem Heliskifahren - irgendwann mach ich das vielleicht auch. Gegen Abend ist das Ziel erreicht, ich mach mir noch was zu essen und erkunde die Gegend - ganz allein bin ich. Die Capanna ist verwaist, also ab in den Biwaksack und morgen früh raus! Trotz der Anstrengungen des vergangenen Tages schlafe ich - wie so oft vor grossen Abenteuern - nur schlecht und habe auch viel zu warm. Das Wetter ist nahezu perfekt während meiner ganzen Anwesenheit.
Ich angle mir zwei +/-30er Namaycushs - pro Mahlzeit.
Mir fällt auf, dass das Ufer sehr sauber ist. Nur an einer Stelle liegt ein bisschen Müll rum. Ab und zu sehe ich in der Ferne ein paar Wanderer, aber sonst bleibt alles ruhig...bis:
der da stört! GRMPF - sind das die besagten Helifischer? Nein, die Schweizer Armee übt Landeanflüge!
Auch die zweite Nacht verbringe ich bei angenehmen Temperaturen. Diesmal schlafe ich besser. Dank den Oropax, die ich zum Glück dabei habe, höre ich nicht, wie mir der Biwaksack um den Kopf flattert.
Am nächsten Tag habe ich gegen Mittag beide Seen kennengelernt und beschliesse, mich auf den Heimweg zu begeben. Vorher nehme ich aber noch ein Bad. Dabei fällt mir ein Stück Plastik im Wasser auf. Wer schon immer mal wissen wollte, wie warm so ein Bergsee ist, hier eine Referenz:
Man fühlt sich seeehr lebendig danach!
Der Plan ist dann, Richtung Westen über den Passo Cazzòla nach Italien zu gelangen und von Domodossola aus mit dem Zug heimzukommen. Das erste Stück ist nach einer knappen Stunde geschafft. In weglosem Gelände gelange ich ohne grössere Probleme auf den Pass und werfe einen letzten Blick zurück:
Sieht aus wie drei Seen, sind aber nur zwei. Auf der andern Seite beginnt der Abstieg problemlos. Ich habe eine etwas ältere 1:25'000er Karte und einen sorgfältig gewählten Ausschnitt von http://map.geo.admin.ch/ dabei. Natürlich schaue ich fast nur auf die jüngere Karte... Hier:
halte ich mich dummerweise links und verliere 2 - 3 Stunden. Cazzò(la)!!! Manchmal weiss ich nicht, ob ich mich nur auf einem Wildwechsel bewege, manchmal kämpfe ich mich durch dichtes Gebüsch. Dann wiederum sind die Wege deutlich gekennzeichnet, mit rot-weissem Farbanstrich, alle zehn Meter, wie eine Schnitzeljagd - die im Nichts endet *nerv*. Wie pedantisch sauber unterhalten schweizer Wanderwege dagegen wirken!
Schliesslich schaffe ich es doch noch. Von Wald/Valdo fährt ein Bus nach Domodossola, aber natürlich höchst selten...vielleicht dreimal am Tag. Und heute bestimmt keiner mehr. Also wasche ich mich und mache wieder Autostopp, sonst hätte ich ja gleich noch eine Nacht oben bleiben können. Nach einer halben Stunde werde ich mitgenommen und steige in Domo mit Bier und Chips in den Zug. Yes, das war geil.
P.S. Bei den Vorbereitungen geholfen haben mir: diese Website, Riccis Spuren im Netz (bigup, auch wenn du meine Nachricht nicht beantwortet hast
), das Bergseeverzeichnis von 1000fliegen.ch, fisherking und sein Sortiment, das Buch "Hütten und Rifugi im Tessin und Misox" von Massimo Gabuzzi, Transa Bern und irgend so ein Outdoor - Trekking Büchlein aus der Bibliothek.
