Boilies, Pellets, Hartmais, Frolic - für alles gibt es heut das Hair-Rig
Selektiv auf große Karpfen angeln - ohne dass einem kleine Brachsen, Rotaugen und Rotfedern das Leben zur Hölle machen: dieser Wunsch war der Vater des Gedankens, dem der Boilie entsprang.
Entwickelt aus dem Karpfenteig, doch durch Zugabe von Eiern und Sojamehl zur kalorienreichen Proteinbombe hochgepimpt und durch Kochen wurf - und knabberfest gemacht, wurde die in jeder Größe rollbare Kochkugel bald zum Karpfenköder Nr. 1, findet sie doch nur Eingang in die zahnlosen Fischmäuler, deren Besitzer dem Angler dann als Zielfisch groß genug erscheinen.
Warum Haarmontagen? (Hair-Rigs)?
Wie gesagt: Friedfischmäuler sind zahnlos. Der Karpfen ist der größte Vertreter der Friedfische in unseren Gewässern. Wie alle anderen Vertrteter der nach ihm benannten Familie der Karpfenartigen Fische (Cyprinidae) zerkleinert auch unser Freund Cyprinus Carpio seine Nahrung erst, wenn diese die Pforte zum Schlund und zum langen Karpfendarm passiert (einen Magen haben diese Fische ja nicht). Zu diesem Zweck ist das hinterste seiner 7 Kiemenbogenpaare stark verknöchert, und aus den (bei allen Fischen vorhandenen)Kiemenreusendornen haben sich bei den Karpfenartigen sogenannte Schlundzähne entwickelt, die durch Druck gegen eine sogenannte Schlundplatte die Nahrung zermalmen.
Säße unser Angelköder direkt auf dem Haken, so würde dieser augenblicklich tief geschluckt, und ein Releasen des Fisches wäre nicht mehr möglich. (Und bei den Karpfenanglern geschieht das nicht nur mit den untermaßigen Fischen, sondern auch mit Großkarpfen, deren Fleisch für eine Verwertung in der Küche nicht mehr in Frage kommt, die aber als Laichfische noch für Nachwuchs sorgen können.)
Durch die Montage des Boilies (alternativ eignen sich auch zilynderförmige Pellets oder Frolic-Ringe als Karpfenköder) am Haar wird der Haken vom Fisch nicht so weit geschluckt. Während der Karpfen den Boilie im Schlund zermalmt, liegt der Haken im vorderen Bereich des Rüsselmauls und kann dort fassen, ohne den Fisch ernsthaft zu verletzen.
Haarmontagen sind somit nicht nur selektive und erfolgreiche Karpfenmontagen. Sie schonen auch den Fisch.
Anfertigen von Haarmontagen
Die einfachste Methode, ein Hair-Rig zu binden, ist die Bindeweise mit dem Boiliehakenknoten. Dazu wird spezielles geflochtenes Dyneema-Karpfenvorfachmaterial verwendet. Ein etwa 40cm langes Stück reicht, da die Endlänge eines Haarvorfachs nur 25 -30cm beträgt.
Als Erstes wird an das Ende dieses Dyneema-Stücks eine kleine Haarschlaufe geknotet - entweder mit einer Gaggeli-Schlaufe oder mit der Perfection - Loop:
Nun zum eigentlichen Hakenknoten.
Eigentlich ist der Boiliehakenknoten gar kein richtiger Knoten und wird deshalb auch gerne als "no-knod-rig" bezichnet.
In der unteren Graphik seht ihr, wie man so recht einfach Hair-Rigs binden kann.
Die Länge des Haars richtet sich nach der Größe und Anzahl der Boilies, die später am haar angeködert werden. Je größer der Boilie, desto länger das Haar. Auch können zwei Boilies nacheinander aufs Haar gefädelt werden, z.B. zunächst ein sinkender, dann ein auftreibender Pop-up-Boilie. Das Ganze nennt man dann, weil durch den auftreibenden Boilie der Köder aufrecht auf dem Gewässergrund steht, einen "Schneemann".
Faustregel ist: Der Abstand zwischen Boilie und Hakenbogen sollte 1cm nicht unterschreiten. Nur so hat der Haken im Karpfenmaul einen guten Hebel und kann sicher fassen.
Eine andere Methode ist, das Haar aus Zahnseide gesondert an den Haken zu knoten. Dafür haben Gerätehersteller wie DAM und Balzer spezielle Karpfenhaken mit Drahtschlaufe und darauf gleitendem Pietzenbauerring entwickelt:
Da ich aber - wenn ich auf Karpfen fische (was ich selten tue) - am liebsten den Drennan Boilie-Hook verwende, bevorzuge ich die Bindeweise mit dem Boiliehakenknoten.
Anködern eines Boilies
Am Einfachsten lässt sich ein Boilie mit einer Boilienadel ans Haar anködern. Dieses Werkzeug sieht wie eine zu spitz geratene Häkelnadel aus. Hinter der Spitze befindet sich ein Widerhaken.
Das Ganze funktioniert dann folgendermaßen:
Ist der Boilie auf dem Haar, so wird durch die Schlaufe des Haars ein Boiliestopper gesteckt, der das Abrutschen des Boilie vom Haar (etwa bei einem beim Karpfenangeln nicht unüblichen Weitwurf) verhindern soll. Zuletzt schiebt man den Boilie am Haar wieder nach unten, so dass der Boiliestopper stramm sitzt.
Boiliestopper aus Plastik kann man im Geräteshop kaufen. Alternativ tut es aber auch ein Stück Grashalm oder ein abgebrochenes Streichholz.
Mit der Haarmontage lassen sich aber auch andere gute Karpfenköder präsentieren - etwa kleine halbgar gekochte Kartoffeln oder gequollener Hartmais in einer Maiskornkette auf dem Haar, oder Frolic (bzw. anderes Hundetrockenfutter in Pressringen).
Mit einer PVA-Schnur (PVA = Polyvenylalkohol), die sich im Wasser rasch auflöst, kann dabei auch zusätzlich punktgenau mit dem Hakenköder angefüttert werden:
Kommen wir nun zum Rest der Montage
Natürlich kann man auf Karpfen auch mit einer Zapfenmontage fischen oder mit Feedermontagen. Dann sollte man die herkömmlichen Köder verwenden: Hartmais, Schwimmbrot oder Teig. Mit Frolic, Pellets oder Boilies empfehlen sich aber spezielle Grundmontagen.
Den nachstehend vorgestellten drei Montagen ist eines gemeinsam: Es handelt sich um sogenannte Festbleimontagen, die man auch Fluchtmontagen oder Selbsthakmontagen nennt.
Der Grundgedanke ist bei allen dreien folgender: Der Fisch nimmt den Boilie auf und will weiterschwimmen. Er erschrickt, wenn er den Widerstand durch das Blei spürt, und will die Flucht ergreifen. Dabei hakt er sich gegen das schwere Blei selbst. Der Anhieb kann also sehr moderat ausfallen, um ein Ausschlitzen des Fisches zu vermeiden.
Manche der nachstehenden Montagen benötigen spezielle Karpfenbleie, andere können mit gewöhnlichen Birnenbleien gefertigt werden. Die verwendeten Bleie haben aber nahezu immer ein Gewicht von 40-90g.
Soviel Wurfgewicht ist auch nötig, um die Aktion der schweren Karpfenruten (Testkurve von 2 1/2 - 4 lbs.) für Weitwürfe auszunutzen.
Auch heavy-feeder-Ruten mit einem Wurfgewicht bis 120g eignen sich hervorragend für die Karpfenangelei, nicht nur im Fließgewässer.
1. Anti-Tangle - Festbleimontagen
Diese Montage unterscheidet sich von einer durchlaufenden Grundbleimontage mit Anti-Tangle-Röhrchen eigentlich nur dadurch, dass der Schnurdurchlauf mittels einer Gummiperle und einem Stopper hinter dem Anti-Tangle-Röhrchen verhindert wird.
Für die allermeisten Fälle beim Karpfenangeln genügt diese Form der Festbleimontage. Werden allerdings Weitwürfe nötig, kann diese Montage schon mal mit dem Vorfach verheddern.
2. Inline-Montagen
Für diese Montage werden unzählige, meist beschichtete Spezialbleie angeboten - aerodynamische Weitwurfbleie, Futterbleie (wie z.B. the Method-Feeder), an denen Futter angeknetet werden kann, Bleie, in die der Vorfachwirbel eingeklinkt werden kann, Bleie mit längeren, elastischen Schläuchen, durch die die Hauptschnur läuft und in die der Vorfachwirbel eingezogen und so fixiert werden kann. Eine bildliche Darstellung muss hier sehr schematisch bleiben.
Allen diesen Bleien gemeinsam ist, dass die Hauptschnur der Länge nach durch das Blei hindurchläuft und dass sie über eigene Feststellvorrichtungen verfügen.
Mit diesen Bleien werden verhedderungsfreie Würfe möglich. Und manche ermöglichen auch zugleich ein punktgenaues Anfüttern.
3. Das Helicopter-Rig
Diese Montage ist meine persönliche Lieblingsmontage.
Das 25-30cm lange Vorfach wird dabei frei rotierend (wie der Rotor eines Hubschraubers, daher der Name) mittels eines Wirbels wie ein Seitenarm an der oberen Drahtschlaufe eines Spezialbleis montiert.
Beim Wurf steht das Blei an der vorderen Spitze der Montage, während das Vorfach im 90° - Winkel zur Hauptschnur absteht und so auch bei Gewaltwürfen kaum mit der Hauptschnur verheddern kann. Zugleich ermöglicht sie eine recht sensible Bissanzeige am Einhänger oder E-Bissanzeiger:
Noch ein Wort zur Bissanzeige
Kaum eine Angelart wurde mit soviel High-Tech perfektioniert wie das Karpfenangeln. Elektronische Bissanzeiger auf den Buzzerbars eines Rodpods, kombiniert mit Swingern, die Fallbisse zusätzlich optisch anzeigen, und Sounderboxen, die dem Angler über Funk akkustische Alarmsignale geben, während er in seinem Carp-Dome im Schlafsack auf seinem Bedchair schläft, gehören für viele moderne Carp-Specimen-Hunter zu den absoluten Must-have's.
Nichts gegen elektronische Bissanzeiger. Gerade, wer in der Nacht oder im Fließgewässer mit zwei, oder - wo erlaubt - mit mehreren Ruten fischt, weiß die zuverlässige Anzeige durch einen guten E-Bissanzeiger zu schätzen.
Allerdings erfüllt in den meisten Fällen ein Einhängebissanzeiger auch seinen Zweck.
Und für mich ist die feine Zitterspitze einer heavy-feeder-Rute, im Dunklen mit einem Knicklicht bestückt, eine sehr spannende und obendrein hochsensible Form der Bissanzeige.
Eine Freilaufrolle, die dem abziehenden Karpfen Schnur nehmen lässt, ist auf jeden Fall ein Muss. So mancher schwere Run endete schon mit dem Versenken der Rute. Das muss nicht sein.
Sonst aber bleibt es jedem selbst überlassen, wieviel Geld er für wieviel High-Tech sonst noch ausgeben möchte.