Salmo trutta

Fragen und Antworten zum Thema: Der Fisch in seiner natürlichen Umgebung Verhalten, Habitat, Nahrung und Besatzmassnahmen/Bewirtschaftung.
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Rolf
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Salmo trutta

Beitrag von Rolf »

Salmo trutta

Da mein Kommentar zu der kürzlich geposteten grossen Forelle solche Wellen geschlagen hat (ich habe angedeutet, dass Diskussionen über die Unterart unnötig sind, da eh alle Forellen die gleiche Art seien), habe ich mir hier mal die grosse Mühe einer fachlichen Erklärung gemacht. Die könnte euch helfen, wie man das System der Forelle (Salmo trutta) besser verstehen kann. Ich möchte nicht klugscheissern, sondern das ist einfach nur gut gemeint. Denn es ist halt leider in der Fischerwelt nach wie vor viel Falschwissen vorhanden, selbst in den Fischereibehörden teilweise noch. Es ist eben wirklich ein sehr kompliziertes System. Noch heute werden vielerorts residente ("Bachforellen") und wandernde Forellen als verschiedene Arten betrachtet und deshalb teils noch fatal falsch bewirtschaftet. Selbst in Fischerei Grundkursen oder SANA Kursen wird noch heute einiges Halbwissen vermittelt. Das ist mir schon lange ein Anliegen, jetzt hab ich mir mal die Zeit genommen.
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Also ....., Was ist denn nun der Unterschied zwischen Bachforelle, Seeforelle, Flussforelle oder Meerforelle? Letztendlich ist alles die selbe Art: Salmo trutta (Atlantische Forelle). Daneben gibt es in der Schweiz übrigens noch komplett andere Forellen-Arten (z.B. Marmorata, Doubs-Forelle, etc.), aber darauf gehe ich hier nicht mehr näher ein. Ich konzentriere mich in diesem Post nur auf die Atlantische Forelle, die in der Schweiz mit Abstand am häufigsten ist und dem entspricht, was man sich gemeinhin unter einer Forelle vorstellt .....

Diese Forellenart kann unterschiedliche Lebensweisen einschlagen, und das ist genau der Punkt, wo Verwirrungen und Falschwissen entstehen. Die eine Lebensweise sind die verschiedenen Wanderformen, sprich "Seeforellen", "Flussforellen" oder "Meerforellen": Nach etwa 2 Jahren im Geburtsbach entscheiden sich diese Individuen dafür, in ein profitableres Habitat abzuwandern, um dort dank hochwertigerer Nahrung schneller zu wachsen und später als grösseres und somit erfolgreicheres Laichtier ins Geburtsgewässer zurück zu kehren. Ob dieses temporäre Wanderhabitat nun ein See ist, ein grösserer Fluss, oder das Meer, ist rein optisch am Fisch schwierig zu unterscheiden und braucht viel Erfahrung. Hier spricht man dann eben von See-, Fluss- oder Meerforellen. Sie alle haben gemeinsam, dass die etwa zweijährigen Jungfische im Bach die roten Punkte verlieren und eine silbrig glänzende Schicht in der Haut einlagern, kurz bevor sie abwandern (in diesem Stadium nennt man sie "Smolts"). Sie werden erst im Wanderhabitat adult und kehren in der Regel nach 1-3 Jahren zurück (gibt aber auch Ausnahmen, wo es noch länger geht). Manche Individuen machen diese Wanderung mehrmals im Leben, andere wiederum nur einmal.
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Die alternative Lebensweise ist, dass sie sich Individuen für ein residentes Leben entscheiden, sprich sie verbringen das ganze Leben im selben Habitat. Die nennen wir "Bachforellen". Wie alle wissen, sehen die anders aus als ihre wandernden Kollegen. Sie behalten die roten Tupfer und haben eine bräunlich-gelblich-graue Flanke je nach Wasserfarbe und Untergrund der Gewässer. Auch die Schwanzflossenform unterscheidet sich zu den Wanderformen. Und ein ganz entscheidendes Merkmal, um sicher zu gehen, dass selbst eine sehr helle Forelle eine residente Bachforelle ist und nie abgewandert ist: KEIN silbriger Glanz, egal wie hell sie sein mag. Forellen können ihre Helligkeit innert Minuten anpassen, aber das "silbrige" der Wanderformen ist eingelagert und kann nicht verschwinden. Es ist ein unverkennbares Zeichen, dass man eine Wanderform in der Hand hält.
Optisch gibt es also Unterschiede, wenn sich eine Forelle mal für einen Lebensstil entschieden hat. Doch letztendlich sind alle die gleiche Art! Eine Seeforelle, eine Bachforelle und eine Flussforelle könnten theoretisch alle Geschwister von dem selben Laichpaar sein, bloss haben sie sich für unterschiedliche Lebensweisen entschieden. Im Wanderhabitat leben also oft Forellen aus vielen getrennten Populationen vorübergehend Seite an Seite, aber sie kehren letztlich sehr präzise in ihre jeweiligen Geburtsgewässer zurück. So bleibt die genetische Vielfalt erhalten. Und hierzu tragen jeweils auch die lokalen Bachforellen bei, denn auch die mischen mit bei der Paarung. Wenn man also Populationen bschreiben möchte und dann beispielsweise von "Thunersee-Seeforellen" redet, ist das eigentlich kreuzfalsch. Sondern korrekterweise muss man alle Forellen, die von einem einzelnen Bach stammen, in ihrer Gesamtheit als einzelne Population betrachten. Die sich dann auch genetisch von der des nächsten Bachs unterscheidet. Zumindest in einer perfekten Welt ohne menschliche Einflüsse .....

Dies zu verstehen ist absolut fundamental, insbesondere auch wenn man an die Bewirtschaftung denkt! Über Jahrzehnte wurden schweizweit gravierende Fehler gemacht, z.B. Brütlinge von Elterntieren eines See-Zubringers ringsum in allen möglichen Bächen verteilt. Was fatal ist für die Genetik. Also ein gut gemeinter Aufwand, der aber mehr schadet als hilft. Wie so oft beim Thema Besatz. Wenn Besatz nötig sein sollte, dann muss jede Population separat betrachtet und nötigenfalls unterstützt werden.
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Zum Schluss noch ein paar Gedankenanstösse. Was ich beschrieben habe gilt unter natürlichen Bedingungen. Die Realität in der Schweiz sieht aber anders aus: Residente Forellen, also Bachforellen, sind hier sicher die häufigste Form der Forelle. Schon nur deshalb, weil der grösste Teil unserer Gewässer mit Wanderhindernissen verbaut ist. Wanderungen sind in den meisten Gewässern deshalb gar nicht mehr möglich. Seeforellen gibt es zwar schon noch, aber die Bestände sind nur noch ein Schatten dessen, was mal war und hier gibt es dringenden Handlungsbedarf. Flussforellen sind sowieso schon fast ein Mysterium geworden und Meerforellen gibt es in der Schweiz schon seit über 100 Jahren nicht mehr, nämlich seit es auch der Lachs nicht mehr zu uns schafft. Vielerorts gibt es deshalb sowieso nur noch residente Bachforellen. Sicher sind die für uns Fischer auch toll, aber mit natürlichen Beständen haben diese Bestände leider nichts mehr zu tun. Klar, in alpinen Gewässern sind reine, isolierte Bachforellenbestände normal, da wandernde Forellen nicht klettern oder fliegen können. Aber in den vernetzten Gewässern des Mittellands würde man unter natürlichen Bedingungen eigentlich partiell wandernde Populationen erwarten, wo alle Formen zusammen vorkommen. Die grossen Weibchen der wandernden Individuen wären hierbei entscheidend für stabile Bestände, da ihr Reproduktionserfolg für unvorstellbare Mengen an Jungfischen sorgen würde. Heutzutage muss man allerdings viele Meilen reisen, um solche natürlichen Salmoniden Bestände noch erleben zu können.
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Ich hoffe, meine Erklärung war für alle verständlich und hilft, dieses komplexe System der Forelle etwas besser verstehen.
Liebe Grüsse, Nicola

PS: Natürlich müssen wir unter im Fischerjargon nicht mit diesen Fachbegriffen um uns werfen. Auch ich rede von Bachforellen oder Seeforellen im Mundartgebrauch. Niemand redet im normalen Leben so kompliziert. Diese Erklärung könnte aber künftig helfen, besser unterscheiden zu können, ob es nun eine Bachforelle ist, oder eine der Wanderformen. Lasst euch innerhalb der Wanderformen nicht auf Diskussionen ein. Ob es nun eine See- oder eine Flussforelle sei, dafür müsste man schon eine Isotopenanalyse machen, um ganz sicher zu gehen. Aber eigentlich ist ja auch egal! Wenn sie im See gefangen wurde, wars eine Seeforelle und in einem grossen Fluss ohne Seezugang eben eine Flussforelle. So gäbe es keine Verwirrungen mehr. Da die grosse Forelle von dem kürzlichen Post nah an der Grenze gefangen wurde (ich vermute mal im Rhein?), könnte man also Flussforelle sagen. Oder gibt es dort einen See? Aber wie gesagt, macht euch das Leben nicht kompliziert, es war einfach eine schöne FORELLE und Petri dazu!

Quelle: Nicola Sperlich
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Roland56
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Bericht Salmo trutta

Beitrag von Roland56 »

Lieber Rolf

Grossartig, deine Arbeit vom 22.4.22 über die Seeforellen und deren Herkunft. Besten Dank für die grosse Arbeit. Ich habe den Text gleich ins Englische übersetzt und lasse ihn hier im Land meinen interessierten Kollegen zukommen.

Es würde mich noch interessieren, wo in der Schweiz diese Seefos gefangen worden sind. Könntest du mir hier ein paar Angaben machen dazu bitte? Keine stammt aus den Gewässern die ich befischt habe obwohl ich mir als Geograf einigermassen gut vorstellen kann wo es sein dürfte - .... aber, na ja, ev. möchten die erfolgreichen Seefo Fischer das ja auch nicht sagen. Kein Problem.

Was ich jetzt noch herausfinden möchte ist woher und wann denn die Regenbogenforellen in Neuseeland aufzutauchen begannen. Als die Engländer um 1860 herum die Forellen aus England nach Neuseeland brachten waren das ja wohl keine Regenbogenforellen, sondern eben die erwähnten atlantischen Forellen Salmo trutta.

Wann also kamen die Regenbögeler die hier auch prächtig gedeihen! Es gibt Gewässer mit nur Regenbogen, nur Brown, vorwiegend Regenbogen oder Brown und die meisten Gewässer mit beiden Arten. Die Regebogenforellen scheinen aber nicht ins Meer zu schwimmen wie etwa die Steelhead in den USA oder Kanada. Jedenfalls hörte ich noch von keiner "Steelhead" hier in NZ. Frage aber noch rum bei den Insidern.

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Herzlicher Gruss aus Neuseeland

Roland
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Re: Salmo trutta

Beitrag von Rolf »

Hallo Roland,

die beiden Seeforellen sollen aus dem Thunersee und dem Zugersee stammen.
Gruss Rolf

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