Biberfleisch finde ich - sagen wir mal so - gewöhnungsbedürftig
Zum Biber auf Feuerland durfte ich für eine Publikation einmal einen zusammenfassenden Artikel schreiben. Da alle Rechte bei mir liegen, stelle ich ihn hier gerne rein:
Der Biber als Neozoon auf Feuerland
Das natürliche Verbreitungsgebiet des Bibers umfasst bekanntlich die gemässigten und subarktischen Zonen der nördlichen Hemisphäre. Allerdings gibt es auch auf der Südhalbkugel eine Biberpopulation, nämlich auf Feuerland. Dies ist die Bezeichnung für eine grosse Inselgruppe an der Südspitze von Chile und Argentinien. 1946 wurden 25 Biberpärchen aus Kanada dorthin transportiert, um sie als Pelzlieferanten zu nutzen. Die Tiere wurden aber nicht etwa auf Pelzfarmen gehalten, sondern direkt ausgewildert. Wie damals gewünscht, vermehrten sie sich rasch und breiteten sich auf der ganzen Inselgruppe aus. Ironischerweise kam die geplante Pelzindustrie trotzdem nie in die Gänge. Dafür schreitet bis heute die Ausbreitung des Bibers fort, zuletzt aber verlangsamt, da die geeigneten Habitate weitgehend besiedelt sind. Rund 100'000 Biber leben inzwischen auf den Inseln.
Impakt umstritten
Feuerland liegt klimatisch in der gemässigten Zone. Die natürliche Vegetation zeichnet sich durch eine allgemeine Artenarmut und das Vorkommen mehrerer endemischer Arten aus. Dies als Folge der weitgehenden Isolation von anderen Pflanzengesellschaften gemässigter Breiten der nördlichen Hemisphäre. Wälder bedecken die Tieflagen des südlichen Teils von Feuerlands. Sie sind im Wesentlichen geprägt von nur drei Baumarten, welche alle zu den Südbuchen (Nothofagus) gehören. Diese Wälder, genannt Magellanwälder, sind weltweit einzigartig. Die Südbuchen haben aber im Gegensatz zu vielen bei uns wachsenden Gehölzen keine Strategien gegen einen Pflanzenfresser wie den Biber entwickelt.
Der Biber nutzt und gestaltet seinen Lebensraum nach seinen Bedürfnissen, wie es kaum eine zweite Tierart tut. Dies kann sich entsprechend stark auf die Ökosysteme auswirken. Während diese Effekte in der nördlichen Hemisphäre als positiv zu beurteilen sind, ist die Einschätzung dort, wo der Biber als Neozoon fungiert, schwieriger. Negative Auswirkungen auf die in Feuerland heimischen Säuger, Fische und Wirbellose konnten bisher keine nachgewiesen werden. Allerdings werden Bestände der Südbuchen in Mitleidenschaft gezogen. Einerseits durch den Frassdruck, andererseits durch die Biberteiche. Da sich dies aber auf die eher ebenen Flächen in Gewässernähe beschränkt, ist nicht zu erwarten, dass Arten ganz verdrängt werden. Nachgewiesen ist, dass andere heimische Pflanzenarten durch die Biberteiche begünstigt werden, ebenso werden die neuen Habitate von Zugvögeln angenommen.
Ausrottung wird angestrebt
Seit 1981 werden die Biber auf Feuerland bejagt, um ihre weitere Ausbreitung zu behindern. Vor rund fünf Jahren beschloss die Provinzregierung gar, dass der Biber ausgerottet werden soll. Denn wie es scheint, breitet er sich in Richtung südamerikanisches Festland aus, Einzeltiere wurden dort schon festgestellt. Begründet wird die Ausrottungskampagne mit naturschützerischen Argumenten. Die Wälder seien gefährdet, die Biber hätten sich zudem bereits zu Fisch- und Muschelfressern entwickelt und würden deshalb deutlich grösser als ihre Artgenossen in Nordamerika. Fakt ist jedoch, dass der Biber auch auf Feuerland ein reiner Vegetarier ist und im Durchschnitt sogar weniger wiegt als in seiner Heimat. Nachgewiesen ist auch, dass er primär diejenigen Standorte besiedelt, die für die Forstwirtschaft am interessantesten sind. Es darf daher hinterfragt werden, ob es sich wirklich eine Naturschutzkampagne handelt und nicht bloss um eine Kampagne zur Vertreibung eines Konkurrenten.
Dies gerade auch vor dem Hintergrund, dass auf Feuerland zahlreiche weitere Neozoen leben, die toleriert werden. Verwilderte Hausschweine haben die Insel ebenso in Beschlag genommen wie verwilderte Hauskatzen, Wildkaninchen, Bisamratten und Minke. Insgesamt leben 13 eingeführte Säuger auf Feuerland. In den Flüssen, Bächen und Seen leben zudem Regenbogenforellen und Bachsaiblinge aus Nordamerika und Bachforellen aus Europa. Diese Fischarten werden sogar weiterhin ausgesetzt, obwohl nachgewiesen ist, dass sie für die einzige heimische Süsswasserfischart – einen Stint – problematisch sind. Die Haltung der Provinzregierung ist diesbezüglich inkonsequent, der Grund dafür aber offensichtlich: Mit dem Fischereitourismus wird viel Geld verdient, einen eigentlichen Bibertourismus gibt es jedoch nicht. Die Ausrottungskampagne hat somit eher finanzielle als ökologische Gründe.
Zukunft ungewiss
Unsicher ist, ob die Ausrottung überhaupt gelingt. Selbst extra dafür angestellte amerikanische Trapper zweifeln am Erfolg, weil Feuerland derart schlecht erschlossen ist, dass mit vernünftigem Aufwand eine erfolgreiche Ausrottung kaum machbar ist. Es fragt sich daher, ob aus Gründen der Verhältnismässigkeit bloss eine verstärkte Bejagung des Bestandes nicht ausreichend wäre, wenn damit der Populationszuwachs vollständig abgeschöpft würde. Dadurch könnte die Abwanderung von Bibern und damit die Ausbreitung auf das Festland gehemmt werden. Denn eine vollständige Restauration der Ökosysteme Feuerlands ist ohnehin nicht möglich, solange andere Neozoen toleriert oder sogar gefördert werden.
Auf Feuerland war ich vor einigen Jahren selber auch mal. Was die Tiere dort anstellen, ist schon imposant...