Als vor 95 Jahren in der Aare Millionen von Fische verendeten

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Rolf
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Als vor 95 Jahren in der Aare Millionen von Fische verendeten

Beitrag von Rolf »

Als vor 95 Jahren in der Aare Millionen von Fische verendeten

200104 Netzfischerei Aare 01.jpg
Die Netzfischerei war im Kanton Solothurn bis in die 1960er-Jahre erlaubt. Diese Aufnahme stammt aus dem Jahr 1949.


Weil in Nidau die Schleusen geschlossen wurden, sank der Wasserspiegel der Aare innert Stunden um eineinhalb Meter. Millionen von kleinen Fischen und Kleintieren verendeten. Das und weitere Vorfälle prägte die Fischerei in den letzten 100 Jahren.

Bis ins Jahr 1893 war die Fischerei in der Solothurner Aare gänzlich frei. Dann wurde der Fluss von Altreu bis Deitingen in Fischenzen (Fischereirechte) eingeteilt und an einer öffentlichen Versteigerung vorwiegend an Berufsfischer verpachtet. J. C. Eggenschwiler, Wirt des Solothurner Restaurants Fuchsenhöhle, ersteigerte mit drei Kollegen die Enz zwischen Bellach und der Wilihofbrücke. Sie waren aber nicht glücklich mit dem neuen System, das nur einem ganz kleinen Kreis die Ausübung der Fischerei gestattete.

Das einfache Volk war arm und der Fischfrevel nahm massiv zu. Eggenschwiler und acht Kollegen wollten deshalb einen Fischereiverein gründen: An der Gründungsversammlung vom 4. April 1913 nahmen 50 Fischer teil. Der neue «Fischereiverein Solothurn und Umgebung» ersteigerte die ganze «Einung» von Bellach bis Feldbrunnen.

Schon bald hatte der Verein mit einem schweren Vorfall zu kämpfen. Im August 1918 wurde die Schleuse in Nidau geschlossen, sodass der Wasserspiegel der Aare innert Stunden um eineinhalb Meter sank. Die Millionen von verendeten kleinen Fischen und Kleintieren, die aufs Trockene gesetzt wurden, beeinflussten die Fischbestände noch auf Jahrzehnte hinaus negativ. Auch Fischvergiftungen und Gewässer-Verschmutzungen waren damals fast an der Tagesordnung. 1919 wurde die Cellulose Attisholz AG verurteilt und 1920 das Gaswerk Solothurn, weil es Ammoniakwasser in die Aare geleitet hatte.

Das Gaswerk musste den Fischereiverein entschädigen. Die Situation besserte sich merklich, als 1957 das neue Gewässerschutzgesetz in Kraft gesetzt wurde. Dank der Inbetriebnahme der Abwasserreinigungsanlagen Solothurn-Zuchwil und Bellach verbesserte sich die Wasserqualität in der Aare massiv. Auch von der 2. Juragewässerkorrektion war das Vereinsgewässer stark betroffen: Vor der Inbetriebnahme des Kraftwerks in Flumenthal 1970 floss die Aare wie ein Wildwasser.

Das ursprüngliche Projekt für den neuen Aarelauf war martialisch, sämtliche Kurven zwischen Solothurn und Büren wären zugunsten eines geraden Aarekanals verschwunden. Dank der Opposition aus Natur- und Fischerkreisen blieben Bellacher-, Bettlacher- und Altreuer-Rank erhalten. Die Fangstatistik zeigt, dass 1947 im Vereinsgewässer 25'583 Fische mit einem Gesamtgewicht von 4,3 Tonnen gefangen wurden.

Die meisten waren Brachsmen. Der Brachsmen war damals der wichtigste Brotfisch. Er wurde im Öl gebrutzelt, nachdem man ihn in Tranchen geschnitten hatte. Heute ist der am häufigsten gefangene Fisch in Solothurn und Umgebung das Egli (Flussbarsch). In den vergangenen rund 20 Jahren hat sich auch der Wels vermehrt – zum Teil, weil er lange Zeit nicht gezielt befischt wurde. 1923 schaffte der Verein ein eigenes Netz an, um seine Reviere in der Aare zu befischen. Es hatte eine Länge von 95 Metern. Die Netzfischerei wurde in den 1960er-Jahren verboten – später als in vielen anderen Kantonen.

Früher wurdendie kleinen Fischlein vom Fischereiverein eingekauft oder vom Staat bezogen, später bewirtschaftete er Aufzuchtbäche. Davon ist heute nur noch der Dürrbach geblieben. Seit 2011 werden in der Aare zwischen Arch und Deitingen keine Forellen mehr eingesetzt. Der Besatz der Emme mit Forellen- und Aeschensömmerlingen wird aber weitergeführt, in die Aare werden zudem Hechte eingesetzt.

Seit 1952 sind alle im Kantonalverband vertretenen Vereine verpflichtet, auch Fischer aus andern Solothurner Vereinen aufzunehmen. 1978 belief sich der Mitgliederbestand des Fischereivereins Solothurn und Umgebung auf 1184 – weil jeder, der in Solothurn in der Aare fischen wollte, in den Verein eintreten musste. Das änderte, als 2009 das Patentsystem eingeführt wurde. Die Mitgliederzahl sank auf heute 200. Der Verein führte sehr früh schon Jungfischerkurse durch, er leistete dabei schweizweit Pionierarbeit. In den 1950er-Jahren gab es «Fischereilehrkurse», bei denen jeder das Fischen erlernen konnte.

Der Fischereiverein hatte früher eine Wettfischergruppe. Und es gab jedes Jahr ein Vereinswettfischen. 1988 fand ein Jubiläumswettfischen statt. Innerhalb von nur drei Stunden fischten 34 Teilnehmer 197 Fische. Später organisierte der Fischereiverein Solothurn und Umgebung im August bei der Gewerbeschule im Kreuzackerpark das jährliche öffentliche Fischessen. Mit der Zeit wurde der personelle Aufwand zu gross und der Ertrag zu klein, sodass der Anlass vor fünf Jahren aufgegeben wurde. Auch ist Wettfischen heute aus tierschützerischen Überlegungen verpönt. Seither gibt es immer im August ein Fischerfest mit Vereinsfischen, bei dem auch die Jungfischer mitmachen. Gefangen wird nur noch ein Bruchteil von früher.

Walter Morgenthaler ist Sekretär des Fischereivereins Solothurn und Umgebung. Er hat die Vereinsgeschichte aufgearbeitet. Wir publizieren hier einen Auszug.

Quelle: https://www.solothurnerzeitung.ch/solot ... coFFVmp8rU
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Gruss Rolf

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Loup
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Re: Als vor 95 Jahren in der Aare Millionen von Fische verendeten

Beitrag von Loup »

:up:
Gruss vom Murtensee
Loup
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