Die Elritze

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astacus
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Die Elritze

Beitrag von astacus »

Die Elritze (Phoxinus phoxinus)


Da sich die Datenbank bisher leider auf die grösseren Fischarten beschränkt, ist es an der Zeit, auch mal einen einheimischen Kleinfisch vorzustellen. Zugegeben fische natürlich auch ich v.a. auf die “Grossen“, aber dennoch verdienen auch die Kleinfische unsere Aufmerksamkeit, zumal sie für das Ökosystem der Gewässer mindestens ebenso wichtig sind wie die “Grossen“. Nicht zuletzt bilden sie vielerorts die wichtigste Nahrungsgrundlage für unsere Zielfische. Deshalb mache ich hier mit der Elritze den Anfang.


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Systematik/Taxonomie

Zu aller erst gehört die Elritze natürlich zu den Echten Knochenfischen (Teleostei), wie die meisten anderen einheimischen Fische auch (Ausnahme: Neunaugen). Dort wird sie in die Familie der Karpfenartigen (Cyprinidae) eingeordnet, zu der zum Beispiel die uns Fischern bekannten Weissfische und natürlich der Karpfen selbst gehören. Phoxinus beschreibt eine Gattung innerhalb dieser Familie, zu der mindestens 19 Arten gehören (gemäss anderen Quellen bis zu 60). Eine Art davon ist unsere Elritze oder eben Phoxinus phoxinus. Sie ist das so genannte nominotypische Taxon (Nominatform) der Gattung und somit auch deren Namensgeber. Die Elritze lässt sich weiter in bis zu sechs Unterarten einteilen, aber auch diese weitere Aufteilung ist nicht eindeutig geklärt.


Merkmale/Morphologie

Die Elritze ist ein verhältnismässig kleiner Fisch, der eine maximale Länge von rund 14 cm erreicht (Durchschnitt 6-10 cm). Paarungsreife Rogner (Weibchen) sind für gewöhnlich etwas grösser als Milchner (Männchen). Der Körper ist spindelförmig. Farblich gibt es verschiedene Typen (je nach Standort), zudem findet zur Laichzeit eine Verfärbung statt (siehe unten). Gewöhnlich ist die Elritze bei uns beige-braun gefärbt mit einem Grünstich, mit schwarzen Stellen auf der Flanke und einem weissen Bauch. Die Schuppen sind äusserst klein. Sämtliche Flossen sind abgerundet. Die Brustflosse (Pectorale) sitzt direkt hinter den Kiemen, die Bauchflosse (Ventrale) weiter hinten am Bauch.

Flossenformel: D 2-3/7; A 3/6-7; P 1-15; V 2/8; C19

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Elritzen (Aquarienaufnahmen)


Habitat

Die Elritze ist eine Art der Fliessgewässer mit Verbreitung im Rhithral (“Bach“) und Schwerpunkt im Epirhithral (“obere Forellenregion“). Regionen im Potamal (“Fluss“) werden selten besiedelt und meistens nur in Regionen mit einer Verbindung zum Rhithral. Zusätzlich kommt sie in kühlen und sauerstoffreichen (und daher oligotrophen) Seen vor.

Wichtig ist für die Elritze denn auch nicht unbedingt fliessendes Wasser, wie man meinen könnte, sondern klares, sauerstoffreiches und sauberes Wasser mit ausreichenden Versteck- und Unterschlupfmöglichkeiten und einem geeigneten Laichsubstrat. Sie reagiert empfindlich auf chemische Gewässerverschmutzungen und ökomorphologische Beeinträchtigungen (Verbauungen). Zudem muss natürlich eine ausreichende Nahrungsgrundlage vorhanden sein.

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Kommen häufig im selben Lebensraum vor: Bartgrundeln (Barbatula barbatula) und in der Mitte die Elritze (Aquariumaufnahme)


Ernährung

Die Elritze ernährt sich sowohl von pflanzlichen wie auch von tierischen Organismen (inkl. Zoo- und Phytoplankton). Unter den Pflanzen werden verschiedene Algen gefressen. An tierischer Nahrung werden diverse Makroinvertebraten erbeutet, also etwa Insekten und deren Larven, diverse Würmer und verschiedene Krebse, etwa Bachflohkrebse. Zudem ernährt sich die Elritze bei Gelegenheit auch von Fischlaich.


Lebensweise und Verhalten

Die Elritze ist ein ausgesprochener Schwarmfisch, der kaum alleine anzutreffen ist. Sie sucht im Laufe des Jahres unterschiedliche Einstände auf. Während sie im Sommer in Ufernähe im flachen Wasser anzutreffen ist, zieht sie sich im Winter in tiefere Wasserschichten an steile und strukturreiche Stellen zurück.

Für die Kommunikation der Elritzen ist deren Schleim, der verhältnismässig stark abgesondert wird, sehr wichtig. Er dient dazu, dass sich die Fische untereinander finden. Bei der nordamerikanischen Art konnte mit einer Studie gezeigt werden, dass die Schleimbildung kontrolliert und bei Bedrohung durch den Hecht auch gänzlich unterbunden werden kann (als Feindvermeidungsverhalten). Es wurde festgestellt, dass sich der Hecht bei der Jagd anfänglich stark auf seinen Geruchssinn verlässt und die Elritzen zuerst riecht. Erst wenn er nah am Beutefisch ist, kommt vor der Attacke der Sehsinn ins Spiel. Bemerkt die Elritze den Hecht frühzeitig, verharrt sie bewegungslos und ist somit für den Hecht kaum mehr sichtbar. Gleichzeitig stellt sie aber auch die Schleimproduktion ein, wodurch der Hecht sie ebenfalls nicht mehr riechen kann und abzieht.


Fortpflanzungsbiologie

Elritzen verfärben sich zur Laichzeit und bekommen einen so genannten Laichausschlag. Der Bauch verfärbt sich vom gewöhnlichen weiss zu einem knalligen rot, wodurch die weissen Flossenansätze dann optisch stark hervor stechen. Ebenso verfärbt sich der Rücken und der Kopf ins Dunklere.

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Elritze mit gut sichtbaren Laichmerkmalen (Aquarienaufnahme).

Die Paarung der Elritze findet im Mai und Juni statt. Sie sammelt sich dann zu noch grösseren Schwärmen als sonst und sucht ufernahe, flache Gewässerabschnitte auf. Die Sohle sollte aus lockerem, grobkörnigem Kies bestehen, in dessen Lücken abgelaicht wird. Die Milchner sind zu dieser Zeit territorial, können sich jedoch kaum gegen die anderen Tiere durchsetzen. Die Rogner sind nicht territorial, sondern prüfen mit dem Kopf die einzelnen Laichplätze – immer in Begleitung von Milchnern, die auf ihre Gelegenheit warten. Findet der Rogner einen geeigneten Laichplatz, drückt er seinen Körper gegen die Kieslücke. Sofort kommen auch Milchner hinzu. Unter starken Vibrationen werden dann Rogen und Sperma abgegeben.

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Elritzenschwarm bei den verschiedenen Stadien des Laichvorgangs (Wildaufnahmen).


Verbreitung

Die Elritze kommt in weiten Teilen Europas vor, mit Ausnahme der arktischen Regionen (Nordskandinavien), Teilen des Mittelmeerraumes (Portugal und die südlichen Gebiete von Spanien, Italien und Griechenland), Nordschottland und Irland. Das Verbreitungsgebiet der Art umfasst auch Teile von Asien, namentlich weite Teile von Russland, wo sie östlich bis zum Amur vorkommt.

Wie aufgrund der europäischen Verbreitung zu erwarten, kommt die Elritze in der Schweiz im Einzugsgebiet von allen vier grossen Flüssen bzw. Flusssystemen vor (Rhein, Rhone, Ticino, Inn). Während sie im Mittelland aber vor allem in Fliessgewässern vorkommt, werden in der montanen und alpinen Stufe bevorzugt stehende Gewässer besiedelt. Viele der letzteren Vorkommen beruhen aber auf Aussetzungen. Das höchste von Elritzen besiedelte Gewässer in der Schweiz liegt auf 2832 m ü. M.!


Bedrohung und Schutz

Die Elritze war früher wahrscheinlich in den meisten Fliessgewässern der Schweiz unterhalb von rund 1000 m ü. M. anwesend. Durch die zahlreichen Verbauungen und chemischen Verschmutzungen ist sie im Laufe des 20. Jahrhunderts aber vielerorts seltener geworden oder gänzlich verschwunden. So fehlt sie heute in zahlreichen Gewässern vollständig. Dies teilweise auch in Gewässern, die ihr heute durchaus wieder einen Lebensraum bieten würden, etwa nachdem eine Verschmutzungsquelle behoben bzw. saniert wurde (Industriebetrieb, Deponie, o.ä.) oder wo wieder Strukturen geschaffen wurden (Ausdolungen, Revitalisierungen). In diesen Fällen kann nach sorgfältiger Abklärung ein Initialbesatz mit geeignetem Besatzmaterial sinnvoll sein.

Trotz allen Bedrohungen ist die Elritze in der Rote Liste der gefährdeten Tierarten als “nicht gefährdet“ (NG) eingestuft. Grund dafür ist, dass die Elritze in absehbarer Zeit in der Schweiz in ihrem Bestand nicht gefährdet ist und zudem in den letzten Jahren auch diverse neue Vorkommen registriert wurden (durch Neuansiedlungen wie auch durch die Entdeckung von bisher nicht bekannten Vorkommen). Viele der bekannten Bestände können als stabil betrachtet werden. Ein komplettes Aussterben der Elritze muss also nicht befürchtet werden. Dennoch kann es auch heute noch zum Verschwinden von einzelnen Beständen kommen, etwa durch Hitze oder landwirtschaftliche Verschmutzungen (Gülle).

Die Elritze ist nach der Berner Konvention, die auch von der Schweiz unterzeichnet wurde, “geschützt“ und geniesst somit auf europäischer Ebene den gleichen Schutz wie zum Beispiel der Luchs und der Biber. Die Umsetzung in der Schweiz erfolgt aber nicht bei all diesen Arten gleich, denn das Bundesgesetz über die Fischerei und die dazugehörige Verordnung schreiben für die Elritze keinen Totalschutz und keine Schonmasse und –zeiten vor – eine Folge des Status gemäss Roter Liste. Elritzen dürfen somit grundsätzlich gefangen werden. Die Kantone können aber freiwillig Schutzbestimmungen (wie eben z.B. Schnomasse und –zeiten) erlassen; ist es für die Erhaltung der Art notwendig, sind sie sogar dazu verpflichtet. In einigen Kantonen dürfen Elritzen also das ganze Jahr über ohne Einschränkungen gefangen werden, einige andere Kantone haben aber Schutzmassnahmen erlassen. Dies muss vor dem Fang (siehe unten) unbedingt abgeklärt werden!


Fischerei und Fang

Eine Bedeutung als Speisefische haben Elritzen bei uns nicht. Scheinbar werden Elritzen aber in Russland gegessen. Sie werden dort mit Netzen gefangen und dann Sauer eingelegt.

Ihr Nutzen für uns Fischer ist indirekter Art. Einerseits ist ihre Rolle im Ökosystem sehr wichtig, da sie wie andere Kleinfische durch ihre Ernährung pflanzliches Material in tierisches Protein umwandelt und deshalb ein wichtiger Teil der Nahrungspyramide ist und eine Nahrungsgrundlage für Raubfische darstellt. In den kleineren Schweizer Fliessgewässern ist sie ein wichtiger Beutefisch besonders von adulten Bachforellen, in Bergseen auch von Seeforellen und Seesaiblingen.

Der andere indirekte Nutzen der Elritze ist als Köderfisch. Besonders an Bergseen ist die Elritze ein viel gebrauchter Köder. Aber auch an Fliessgewässern lässt sich die Elritze als “Butz am System“ für die Forellenjagd verwenden. Wie diese Systeme angewendet werden, brauche ich hier nicht zu erläutern, da es dazu bereits diverse Threads gibt. Wer seine Köderfische mit Haken und Schnur und nicht mit der Faulenzermethoden (Köderfischblatt, -reusen, -flaschen, etc.) fangen will, dem hier aber ein paar kleine Tipps:

Man nehme einen kleinen Haken, Grösse zwischen 14 und 18, und knüpfe ihn an eine feine Zapfenmontage. Als Köder eignen sich Brot oder noch Besser kleine Würmer oder Maden (Pinkies o.ä.) und fische damit ruhigere Stellen des Fliessgewässers ab. Wenn einmal ein Schwarm gefunden ist, wird man schnell seine Elritzen beisammen haben. Eine interessantere Methode ist die Fischerei mit der feinen Nymphe. Ich fischte so schon mit der Gambe und dem Laufzapfen erfolgreich auf Elritzen, wenn ich zuvor einen Schwarm ausgemacht habe. Das würde wahrscheinlich auch mit der Fliegenrute gehen, wobei ich dies aber noch nicht ausprobiert habe.


Mein Bildmaterial zur Elritze ist leider recht dürftig. Wer gutes Bildmaterial hat, dass er zur Verfügung stellen kann, soll dies bitte hier im Thread posten, ich könnte es dann in den Artikel einbinden.
FISCHEN hat von Natur aus etwas mit ESSEN zu tun Bild
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Martin
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Re: Die Elritze

Beitrag von Martin »

Danke für den guten Beitrag, es müssen ja nicht immer Edelfisch und Co sein ;-)
Gruss Martin

Es ist mir egal wie dein Vater heisst, solange ich hier angle geht niemand übers Wasser
Marc 85

Re: Die Elritze

Beitrag von Marc 85 »

Danke für den super interessanten Bericht :up:
Hammer11

Re: Die Elritze

Beitrag von Hammer11 »

Sehr spannend.

Mal eine ganz andere Art..
THX
Robert

Re: Die Elritze

Beitrag von Robert »

Sehr guter Bericht und tolle Bilder :up:
MfG Robert
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goggy
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Re: Die Elritze

Beitrag von goggy »

super bericht!
danke
Gruss Oli

FISCHE, und der Tag ist gerettet!
fishersam

Re: Die Elritze

Beitrag von fishersam »

Hi Astacus

Danke für deinen gut bebilderten, spannenden Beitrag! Besonders das Laichverhalten sollte man unbedingt mal gesehen haben! da Kocht das Wasser! Und ausserdem ist die Elritze der perfekte Fisch fürs Aquarium!

Gruss :)
combino

Re: Die Elritze

Beitrag von combino »

Hallo Astacus

Besten Dank für den sehr ausführlichen Beitrag. :D

Gruss Combino
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