Der Edelkrebs ist eine von drei in der Schweiz einheimischen Flusskrebsarten. Die beiden anderen sind der Dohlenkrebs (Austropotamobius pallipes) und der Steinkrebs (Austropotamobius torrentium). Daneben wurden vier Arten in die Schweiz eingeführt, nämlich der Kamberkrebs (Orconectes limosus), der Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus) und der Rote Amerikanische Sumpfkrebs oder Louisiana Sumpfkrebs (Procambarus clarkii) aus Nordamerika sowie der Galizische Sumpfkrebs (Astacus leptodactylus) aus Osteuropa.
Morphologie:
Der Edelkrebs ist mit bis zu 20cm Körperlänge (ohne Scheren) der grösste einheimische Krebs. Er erreicht bis zu 350g Körpergewicht. Männchen sind grösser und schwerer als Weibchen, zudem sind ihre Scheren auch im Verhältnis zur Körpergrösse grösser. Andererseits ist das Schwanzsegment beim Weibchen breiter. Die Färbung des Edelkrebses ist variabel, meistens ist sie jedoch rotbraun bis dunkelbraun. Regelmässig kommen aber auch stahlblaue Individuen vor. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass sie ihre Farbe bis zu einem gewissen Grad der Umwelt anpassen können. Während die Scherenoberseite so gefärbt ist wie der restliche Körper, ist die Scherenunterseite immer tiefrot. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu den anderen beiden einheimischen Krebsen, aber nicht zu allen “Amerikanern“!
Ein weiblicher Edelkrebs.
Männchen und Weibchen lassen sich bei den Flusskrebsen, und damit auch beim Edelkrebs, leicht unterscheiden. Beide Geschlechter haben fünf Beinpaare, wobei das vorderste zu den grossen Scheren ausgebildet ist. Hinter den Beinen sind am Schwanz fünf Paar Schwimmfüsschen. Die beiden vorderen Paare dieser Schwimmfüsschen sind beim Männchen zu Begattungsgriffel umfunktioniert. Die Weibchen hingegen haben alle fünf Paar Schwimmfüsschen.
Ein toter weiblicher Edelkrebs, die Begattungsgriffel fehlen. Gut zu sehen ist die rote Scherenunterseite.
Ein toter männlicher Dohlenkrebs, die Begattungsgriffel sind gut zu erkennen. Zu erkennen ist auch die bei Dohlenkrebsen nicht rote Scherenunterseite.
Ein wichtiges Merkmal zur Unterscheidung der einzelnen Arten sind neben der Farbe und der Form des Körpers die so genannten Postorbitalleisten und –knoten. Das sind Wölbungen im Panzer im Bereich des Kopfes. Der Edelkrebs besitzt zwei Postorbitalknoten und seine Postorbitalleiste ist im hinteren bereich unterbrochen.
Lebensraum:
Flusskrebse sind grundsätzlich Kiemenatmer, können aber auch einige Stunden (teils sogar Tage) an Land überleben. Ihr Lebensraum ist jedoch eindeutig das Süsswasser. Der Edelkrebs braucht Gewässer, welche im Sommer mind. 15°C erreichen, da sich erst dann die Geschlechtsorgane entwickeln können. Zudem dürfen die Gewässer im Winter nicht bis auf den Grund durchfrieren. Im Gegensatz dazu verträgt er im Sommer Temperaturen über 25°C nur für eine kurze Zeit.
An die Wasserqualität stellt der Edelkrebs nicht sehr hohe Ansprüche. Sind andere Faktoren wie Nahrungsangebot und Lebensraum ausreichend, kann er auch mit eher schlechter Wasserqualität auskommen. Chemische Verschmutzungen erträgt er bis zu einem gewissen Grad und kann auch für Forellen tödliche Verunreinigungen überleben. Auf der anderen Seite reagiert er auf einige Giftstoffe sehr empfindlich, namentlich Insektizide. Dies ist durch die sehr nahe Verwandtschaft mit den Insekten bedingt.
Wichtig für den Edelkrebs sind reich strukturierte Sohlen und Ufer. Er ist nachtaktiv und braucht tagsüber Versteckmöglichkeiten zwischen Steinen, Holz, oder ähnlichem. Findet er diese nicht, so gräbt er selbst Höhlen. Auch zum Schutz gegenüber Räubern, hauptsächlich Fischen, ist er auf Verstecke angewiesen.
Verbreitung:
Der Edelkrebs war früher in weiten Teilen Europas verbreitet. Heute ist er aber in den meisten grossen Gewässersystemen vollständig ausgerottet (siehe unter Bedrohung/Krebspest) und kommt v.a. in isolierten Gewässern noch vor. In der Schweiz kam er ausser im Tessin wohl in allen Kantonen natürlicherweise vor, ist aber heute in einigen Kantonen vollständig ausgestorben. Viele andere Kantone haben nur noch sehr kleine Vorkommen.
Ernährung:
Edelkrebse sind Allesfresser. Das heisst, dass sie sowohl pflanzliche wie auch tierische Kost fressen. Ihr Nahrungsspektrum ist ausserordentlich breit, es werden die verschiedensten Pflanzen (bis zu Laub und Holz) und fast alle Fische gefressen. Allerdings ist der Edelkrebs nicht in erster Linie ein Räuber, welche selbst Fische erbeutet, sondern ein Aufräumer, welcher Aas frisst. Nicht umsonst werden Krebse auch Gewässerpolizisten genannt. Diese Funktion ist in einem gesunden Fischgewässer sehr wichtig, da so die Krankheitsgefahr eingedämmt wird.
Fortpflanzung:
Die Paarungszeit der Edelkrebse ist normalerweise im Oktober und November. Ein Männchen kann mehrere Weibchen begatten. Dafür legt er es auf den Rücken und besteigt es von oben. Einige Wochen danach stösst das Weibchen die Eier aus und trägt sie fortan am Bauch. Den Winter über sind die Krebse, Weibchen wie Männchen, nicht aktiv und verkriechen sich in ihren Höhlen. Erst gegen April werden sie wieder aktiv, die Krebslarven am Bauch der Mutter schlüpfen aber frühestens im Juni. Diese bleiben noch einige Zeit bei der Mutter, bevor sie sich selbstständig machen.
Krebsweibchen im Frühling mit Eiern am Bauch (im Bild ein Dohlenkrebs).
Die Geschlechtsreife setzt beim Edelkrebs mit etwa drei Jahren ein (bei einer maximalen Lebenserwartung von rund 20 Jahren). Am Ende des ersten Lebensjahres sind die Krebse rund 3cm gross, am Ende des Zweiten 6-9cm und am Ende des Dritten 8-10cm (Weibchen) bzw. 10-13cm (Männchen).
Bedrohung/Krebspest:
Wie geschrieben, ist der Edelkrebs in weiten Teilen seines ursprünglichen Verbreitungsgebietes verschwunden. Dafür gibt es drei Gründe:
1. Starke Gewässerverbauung und damit Schwund des Lebensraumes.
2. Starke chemische Gewässerverschmutzung v.a. zu früheren Zeiten.
3. Einschleppung der Krebspest.
Die Krebspest stellt nach übereinstimmender Expertenmeinung den Hauptgrund für den Rückgang des Edelkrebses dar. Die Krebspest ist eine Pilzerkrankung (Aphanomyces astaci) und nicht näher mit “unserer“ Pest verwandt. Bis um 1860 kam die Krebspest nur in Nordamerika vor. Durch die Einschleppung von nordamerikanischen Krebsen gelangte sie aber nach Europa. Die Krebspest breitete sich seuchenartig aus und brachte grosse Bestände mit Millionen von Edelkrebsen innert wenigen Wochen zum vollständigen verschwinden. Während die nordamerikanischen Krebse gegen den Pilz resistent sind, sterben die europäischen Krebse in jedem Fall daran. Die amerikanischen Krebse sind aber Träger der Krankheit. Eine Koexistenz zwischen ihnen und europäischen Krebsen im selben Gewässer ist über eine lange Zeitdauer daher nicht möglich.
Die Sporen des Krebspestpilzes können auch ohne Wirte (=Krebse) über mehrere Monate überleben. Die Krebspest wird besonders über Fischereiutensilien immer wieder in bisher nicht betroffene Gewässer verschleppt. Wer etwa einen Kescher in einem Krebspestgewässer verwendet und ihn danach für ein paar Wochen in den feuchten Keller stellt um ihn anschliessend in einem anderen Gewässer wieder verwendet, der muss damit rechnen, die Krebspest verschleppt zu haben. Ebenso können die Sporen über mehrere Wochen an Fischerstiefeln überleben. Aber auch die Ausbreitung der amerikanischen Krebse, v.a. der Signalkrebse, in weitere Gewässer birgt grosse Gefahren. Von der Verschleppung der Krebspest geht auch heute noch die grösste Bedrohung für den Edelkrebs aus.
Nutzung/Fang:
Mehrere Flusskrebse sind essbar. Von allen einheimischen und eingeführten Flusskrebsen gilt der Edelkrebs als der schmackhafteste. Ähnlich wie beim Lachs gab es früher Gesetze, dass den Angestellten nicht mehr als zwei oder dreimal pro Woche Edelkrebse zum essen zu geben werden durften. Das zeigt, wie häufig er früher war. Auch heute noch wird der Edelkrebs gegessen. Dabei werden das Fleisch der Scheren und des Schwanzes verwertet, aus den Krusten werden manchmal Suppen oder Krebsbutter gemacht. Es gibt verschiedene Züchter und einige Standorte in der Schweiz, an welchen Edelkrebse gefangen werden dürfen.
Gekochte und speisefertige Flusskrebse (im Bild Signalkrebse).
Rechtliches:
Die Verordnung zum Bundesgesetz über die Fischerei gibt vor, dass die Schonzeit der einheimischen Krebse, und damit dem Edelkrebs, mindestens 40 Wochen zu betragen hat. Das Fangmass beträgt mindestens 12cm, was sicherstellt, dass v.a. Männchen gefangen werden. Den Kantonen ist allerdings freigestellt, die Richtlinien zu verschärfen oder den Fang gänzlich zu verbieten, was mehrere Kantone auch gemacht haben. Die Regelungen sind daher von Kanton zu Kanton verschieden. Wer vor hat, Krebse zu fangen, muss sich also zwingend zuerst mit den kantonalen Richtlinien vertraut machen und abklären, wo es überhaupt welche Krebse gibt.
Literatur und Weblinks:
“Edelkrebse – Biologie, Zucht, Bewirtschaftung“; Johannes Hager; ISBN 3-7020-0751-2
Gefährdung des heimischen Edelkrebses durch gebietsfremde Flusskrebsarten
Flusskrebse in Österreich
Nationaler Aktionsplan Flusskrebse
Drei wären mehr als sieben
Forum Flusskrebse