Patagonien auf eigene Faust – 1.Teil

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gonefishing

Patagonien auf eigene Faust – 1.Teil

Beitrag von gonefishing »

Aus einem verrückten Traum wird Wirklichkeit

Als ich Anfang 2013 überlegte was ich dieses Jahr mit meinem Urlaub anfangen sollte fiel mir auf dass es 12 Jahre her war dass ich länger als 2 Wochen in den Ferien war. Es wäre mal wieder an der Zeit eine richtige Reise zu machen.
Länger weg kann ich nur im Winter, das heisst Tropen oder Südhalbkugel. Und da war doch noch ein alter Kindheitstraum: Patagonien!

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Das ist es, Januar/Februar 2014 nach Patagonien, so kann ich mir 2013 mit dem Urlaub vor Augen einen Grossteil meiner Urlaubstage aufsparen und muss nicht am Jahresanfang meinen gesamten Jahresurlaub verbrauchen und dann nach den Ferien das ganze Jahr durchknechten.
Auch hatte ich so genug Zeit die Reise zu planen und die Ausrüstung zusammen zu stellen. Ich bin kein Freund von Pauschalreisen und All-Inclusive-Fischer-Ghettos und so war mir klar dass ich das auf eigene Faust mache. Mit dem Geländewagen durch’s Land fahren, bleiben und fischen wo es mir gefällt, weiterfahren wann es mir gefällt, wandern, das Land entdecken und meine Freiheit geniessen.

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Das würde sicher nicht einfach werden, aber dafür umso spannender! Die Planung nahm langsam Gestalt an und ich entschied mich für eine Rundtour durch die argentinische Provinz Santa Cruz und das angrenzende Chile. In einem ‚Trout Bum’s Guide’ den ich mittlerweile ergattert hatte hiess es ‚la Patagonia ruda – la verdad’ ‚das rauhe Patagonien – das echte’. Verrückt alleine und auf eigene Faust sich eine der rauhesten Gegenden auszusuchen? Vielleicht ein bischen, aber mich fasziniert diese offene weite wilde Landschaft und einige landschaftliche Higlights die ich unbedingt sehen wollte (Torres del Paine, Perito Moreno Gletscher, Fitz Roy und Cerro Torre) liegen auch in der Gegend.

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Ausserdem wurde mir ständig abgeraten, in Argentinien auf eigene Faust fischen kannst du vergessen, alles Privatland und man kommt nirgends an die guten Strecken ran. Aber ich hatte auch herausgefunden dass die Flüsse selbst nicht privat sind, und man sich von einem öffentlichen Zugang im Flussbett bewegen darf auch wenn das Land links und rechts privat ist. Ich habe Zeit, habe Füsse und kann laufen, nur muss das im Flussbett möglich sein. Anhand von Fotos erschien mir das weiter nördlich (Neuquen, Chubut...) schwierig, tiefes Wasser, dicht bewaldete Ufer so dass auch die meisten Guidings dort per Boot durchgeführt werden. Aber Santa Cruz perfekt, offene Pampas, breite Flussbetten mit kiesigen Ufern und so menschenleer dass ein einzelner Wanderer bestimmt niemanden stört.

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Eine Rundtour musste es sein da die Mietwagenpreise extrem hoch sind und One-Way bei meinem Budget nicht drin lag. Und so stand die Tour: Punta Arenas – Torres del Paine – El Calafate – El Chalten – Lago San Martin – Rio Santa Cruz / Piedra Buena – Rio Gallegos – Punta Arenas
Bei den vielen verschiedenen Gewässern und Fischen und der begrenzten Gepäckmenge stellte sich natürlich die Frage was mitnehmen... Ich ackerte mich durch die spanischsprachigen Bestimmungen, prinzipiell nicht kompliziert, aber bei 2 Ländern und etwa 50 möglichen Gewässern kommt doch einiges zusammen. Hinzu kam dass ich bei einigen kleineren Flüssen nicht mal genau herausfinden konnte wie sie heissen, und in den Bestimmungen nicht jedes Gewässer aufgeführt ist sondern teilweise nur irgendwelche Regionen, Bezirke oder Gewässersysteme. Hier ist alles erlaubt, da nur Kunstköder, dort nur mit der Fliege, hier nur Einzelhaken, da nur ohne Widerhaken.
Hmmm, aber da gibt es ja einen kleinsten gemeinsamen Nenner, mit der Fliege, Einzelhaken und ohne Widerhaken darf man überall.

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Verrückt, denn ich hatte bis anhin nur sporadisch mit der Fliege gefischt und Patagonien ist eine der windigsten Ecken auf diesem Globus, aber der Gedanke gefiel mir. So einfach wie möglich und so fair wie möglich, mir keine Gedanken machen was hier jetzt erlaubt ist oder nicht und welche Köderboxen ich mitschleppe. Ein paar Fliegen und Vorfächer in der Jackentasche, loswandern und -fischen, das ist Leichtigkeit und Freiheit, so soll es sein!
Ich besass zwar nur eine 5er-Rute, wollte diese Saison aber ohnehin an unseren Bergbächen mehr mit der Fliege fischen und mir dafür noch eine 3er zulegen. Dazu noch eine 7er Switch, einen Zweihandkurs und 2013 viel Fliegenfischen das sollte doch reichen. An die grossen Monster glaubte ich eh nicht, auf eigene Faust, keine Erfahrung und noch nie mit der Fliege auf Meerforellen, Steelhead oder Lachs gefischt. Wie schwer es ist einen Lachs zu fangen durfte ich an der Mörrum schon erleben, am Rio Gallegos ist zu der Zeit nicht gerade Hauptsaison und ich bezweifelte überhaupt an gute Plätze heran zu kommen und zu den Steelheads im Rio Santa Cruz meinte mein Trout Bum’s Guide: ‚Arguably the most challenging fishery in all of Patagonia, the Santa Cruz is not for the faint of heart... Steelheading the world-over is never easy, and against the distinct challenges presented by the Santa Cruz, it may indeed seem impossible.’

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Und irgendwie geht es mir auch nicht darum möglichst grosse Fische zu fangen. Ein wildes Land entdecken, Freiheit spüren, aber auch das Unmögliche versuchen, sich den Herausforderungen stellen, an seine Grenzen gehen und zu scheitern. Dann wird doch das was man erlebt viel intensiver, und die Fische die man fängt sind so viel mehr wert als wenn es einfach geht, und es spielt keine Rolle mehr ob ein Fisch klein oder gross ist.
Natürlich frage ich mich auch was ist wenn nichts klappt, ich kaum an ein Gewässer ran komme, bei dem Wind nicht werfen kann und keinen grösseren Fisch fange. Aber ich merke dass es nicht so wichtig ist was am Ende dabei raus kommt, viel wichtiger ist dass ich es versuche und herausfinde.
Die Bilder von den grossen Steelheads und gigantischen Chinooks lassen mich dann aber doch etwas zweifeln, was wenn doch? Dann stehst du irgendwo im Nirgendwo, die 7er-Rute gebrochen oder die Schnur herunter gerissen, um dich dicke Fische und weit und breit kein Fischerladen.

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Es muss noch etwas gröberes her, nur darf es nichts kosten. Etwas ausleihen und dann damit 4 Wochen bei Sturm und Staub durch die Pampas? Nein, das will ich nicht. Eine Lachscombo für lau? Ein Hoch auf das Internet, kurz darauf bin ich stolzer Besitzer einer 9er-Zweihand-Combo für 200€. Ich will gar nicht wissen ob die was taugt, das muss jetzt reichen. Ich habe mein Budget eh schon überschritten, noch Schnüre mit kurzer Keule wegen dem Wind, spezielle Meerforellen-Fliegen für den Rio Gallegos, Steelhead-Fliegen, Lachsfliegen, Pflegematerial um die Schnüre bei 4 Wochen Staub bei Laune zu halten...
Irgendwann muss das Planen auch ein Ende haben, Ende Januar und damit der Abflugtermin rücken näher, mal probe packen. Klamotten, Bergschuhe, Rucksack, Zelt, Isomatte, Schlafsack, Gaskocher, Geschirr, Watklamotten, 4 Ruten und Rollen, kleine Kamera, grosse Kamera, Stirnlampe und jede Menge Kleinkram, das ist zu viel. Übergepäck kann oder will ich mir nicht leisten, also alles noch einmal überdenken.
Wenn ich fischen gehe kommt nur die kleine wasserdichte Kamera mit, die grosse liegt unbewacht im Auto, kein gutes Gefühl und dann der ganze Staub, bleibt daheim. Mehrtagestouren mit der kompletten Ausrüstung? Die Testtour in den heimischen Bergen war cool aber eine elende Schlepperei, und das Auto würde nachts irgendwo rumstehen. Ich beschliesse nur Tagestouren zu machen, der grosse Rucksack, Isomatte, Gaskocher und Geschirr bleiben da und ich kaufe mir vor Ort einen billigen Kocher, Geschirr und eine Luftmatratze im Supermarkt. Noch alle Widerhaken angedrückt dann reicht die Aterienklemme und die Zange bleibt zu Hause.

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22.6kg und 7.5kg Handgepäck, dazu etwa 5kg Klamotten am Leib, yesss, es kann losgehen!
Zürich – Madrid – Santiago de Chile, 32° und ich bin angezogen wie für eine Himalaya-Expedition und werde gleich zur Pfütze. Ein paar grosse Bier retten mich vor der Dehydrierung, ich stinke und ziehe belustigte Blicke auf mich, mir doch egal. Der Flug von Santiago nach Punta Arenas bei wolkenlosen Himmel ist spektakulär, leider bekomme ich nie vernünftige Fotos aus dem Flugzeugfenster hin.
4 Stunden später bei 5° in Punta Arenas schaue ich belustigt auf meine Mitflieger wie sie in kurzen Hosen und T-Shirt schlotternd vor dem Gepäckband warten um dann sofort ihren Koffer aufzureissen.
Ich habe für eine Nacht ein Bett in einem Hostel dass ich nach der 28-Stunden-Anreise und noch einigen Bieren auch ausgiebig nutze. Immerhin eine sehr wichtige Erkenntnis bringt der erste Abend: Das Bier hier schmeckt super!
Gut ausgeschlafen geht’s am Morgen los, Fischereierlaubnis holen, Mietwagen abholen, klappt alles wie am Schnürchen. Jetzt noch einen grossen günstigen Supermarkt, sind doch meistens am Stadtrand, also einfach mal losfahren. Supermercado Hyper Lider, whow, genau was ich gesucht habe. Gaskocher 12 Fr., Campinggeschirr 8 Fr., Luxus-Luftmatratze 15 Fr., inkl. Verpflegung und alkoholischen Getränken für eine Woche bezahle ich keine 200 Fr., deutlich weniger als gedacht.

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Und jetzt kann es richtig losgehen, Patagonia here I come!
Was für eine Weite, was für eine Landschaft und weit und breit kein Auto, kein Mensch.
Jetzt noch der richtige Sound und es wäre perfekt. Ich wollte mir noch eine CD brennen, habe es in der Hektik der letzten Wochen nicht mehr geschafft. Es muss doch einen Radiosender geben der etwas anderes spielt als dieses melancholische Geschnulze...

‚On a dark desert highway, cool wind in my hair
Warm smell of colitas, rising up through the air
Up ahead in the distance I saw a shimmering light
...’


Welcome to the Hotel California, whow, das ist perfekt!
Gleich danach kommt Pink Floyd und ich höre zum ersten Mal bewusst den Text.
Ich muss anhalten. Das ist mehr als perfekt, das ist unglaublich. Es ist wie ein persönlicher Willkommensgruss, das ist mein Lied für diesen Urlaub, für mein Leben...

zum 2.Teil
Zuletzt geändert von gonefishing am So 2. Mär 2014, 15:30, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Patagonien auf eigene Faust – 1.Teil

Beitrag von Flümi »

Wow, schon mal Merci und ich freue mich über weitere Teile dazu :up:

CD brennen wollen? Sowas macht man heutzutage noch? :mrgreen:
Für die kleine Reise durch Deutschland und die grosse Reise durch die USA hab ich MP3s auf mein Smartphone getan, sowie mit einem gekauften Code vom Kiosk Geld aufgeladen, um weitere Lieder runterladen zu können bei Bedarf. Ausserdem ist ein Zusatzakku für das Smartphone Gold wert. Hatte mir in den USA SOWAS gekauft. Gibt auch günstigere/kleinere von verschiedenen Marken und vorallem auch noch grössere. Mit ganz kleinen kann man ein Smartphone bestenfalls halb bis ganz nachladen, mit dem Erwähnten fast 2x und mit grösseren Akkus auch mehr als 3-6x, sowie auch Tablets oder 2 Smartphones gleichzeitig aufladen, weil die Grossen 2 Anschlüsse haben. Schliesslich hat im Auto ja das Navi die höchste Priorität für Strom ;)

Ausserdem hat sich auf meiner Reise auch eine wasserdichte Plano-Box (1449) als gute Investition herausgestellt und ich konnte mit meinem Smartphone ein "Beweisfoto" im Meer draussen machen, auf einer Sandbank, die nur bis einen halben Meter unter die Wasseroberfläche kam :mrgreen:
Gruss, Stefan
Schlitzohr, Spassvogel, durchschnittlicher Allrounder und Märchentante Bild

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Klaus
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Re: Patagonien auf eigene Faust – 1.Teil

Beitrag von Klaus »

Das fängt ja schon mal sensationell an! :shock:
gianandri

Re: Patagonien auf eigene Faust – 1.Teil

Beitrag von gianandri »

Bin neidisch, muss ich offiziell zugeben. Freue mich auf den zweiten Teil
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