"Sone fuli Sou..."

Hier ist der Platz, um Eure Fänge zu präsentieren.
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track
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"Sone fuli Sou..."

Beitrag von track »

"...dases Gott erbarmt"

Wenn man morgens um 5 Uhr aufsteht und durch die leere Stadt hinaus weit ins Land fährt, um grossartig die ersten Hits der noch jungen Forellensaison zu landen, muss man, da man ja ohne Koffeingabe nicht zu funktionieren glaubt, vor lauter Aufregung erst mal den Waldboden oberhalb des Canyons mit etwas Nährstoffen anreichern, kaum ist das Auto abgestellt...

Etwas gelöster wird das Equipment aus dem Kleinwagen geangelt. Zum Umziehen bei nachlassendem Niederschlag nochmal Tetris in der Asphaltblase, eben saueng und umständlich in der Eile, Wathose, (Achtung, second hand product placement preview jetzt:) zu knappe Watschuhe, Regenjacke vom Schweizer Outdoorequipment Grossmogul im für die unteren Preissegment. An Mütze und Ersatzsocken rumfummeln und aus dem offenen Rucksack in den Matsch fallen lassen. Kleiner Anflug von Ärger, aber schliesslich wandert der Blick beruhigt in die Hügel, oberhalb von 1’100 m hat es geschneit. Dann könnte der Plan aufgehen und die Trübung (noch) stimmen!

Also schreite ich beschwingt bergab, irgendwo JWD*, Höhe Hinterfultigen halt, quasi das Tägertschi der orographisch linken Seite der Aare zwischen Thun und Bern - so nannten wir das in der Schule, wenn jemand ein Landei war, Puch-Töffli fuhr und ein bisschen nach Kuhstall roch.

Leidenschaft und Zuversicht, ein freier Halbtag, 150 m unter mir weglose, einsame Wildnis und...nun, wie soll ich das jetzt gepflegt ausdrücken? Das mit 232 codierte Gewässer kommt in einer Mischung aus Gold, Akzent 4, dunkler 25% und orange, Akzent 4 angerauscht. Und ja, man hätte es von oben sehen können; der kühne, naive Optimist jedoch überstimmt alle anderen Gedanken und nach 10-minütigem Abstieg stehe ich also etwas konsterniert am Wasser. Vielleicht eine grelle Farbe, ganz nahe am Ufer? Oder nur die Gumpen? Die erkennt man ja gar nicht.

«Im Trüben fischen» ältere Bedeutung: sich mit unredlichen Mitteln einen Vorteil verschaffen. Neuer und passender: in unbekannter Umgebung suchen, Mühe haben. Ich breche nach ein paar Würfen ab, der Ausflug endet, bevor er richtig begonnen hat. Dass zwischen 10 und 15, naja vielleicht 20 mm Niederschlag (aber höchstens) so viel ausmachen, hätte ich nicht gedacht.

Das Motivations-o-meter sackt nichtsdestotrotz nur kurz nach links um sich dann gleich wieder anzuspannen und aufzuleuchten. Tageszeit, Mondphase und Wetter stimmen, Tackle ist scharf. Die Aare, die Aare müsste eigentlich noch fischbar sein. Ich beschliesse, so schnell wie möglich einen Blick auf die Webcam des Bellevues zu werfen, es geht an den Seilen und auf glitschigen Sandsteinen wieder hoch, durch den Wald zurück zum Auto, wo ich Netz und alsbald die Gewissheit habe, dass ich noch eine Chance habe.

Am gegenüberliegenden Ufer stehen dann auch andere Petrijünger und werfen in ihrer Hälfte mit Schmackes das Blech ins knapp 8 Grad kalte Nass. Ich bleibe bei meinem Ryuki. Als ich ihn noch am ersten Spot 2 – 3 m von mir entfernt über eine heisse Zone wackle, packt ein vielleicht knapp 40er Aaretiger zu, verabschiedet sich aber nach ein paar Sekunden wieder. Haltung wahren, Haltung wahren... nicht rüberkucken und nicht fluchen... nobel mache ich weiter, kann dann aber keinen weiteren Fisch mehr aus dem Versteck locken.

Aber dann, eine Stunde später, an einer Stelle, die noch nie Fisch gebracht hatte, ja noch nicht einmal einen Nachläufer, stupst mich von unten etwas an und im Nachfassen hängt eine knappe 50er Fario! Sie schlängelt ihren silbernen Körper an die Oberfläche, bleibt noch für kurze Zeit wie ohnmächtig knapp unter der Wasseroberfläche liegen und schüttelt sich dann mühelos ab. Ich fasse es nicht! Was hab ich denn jetzt wieder falsch gemacht?! Die Strömung gelesen, die Tiefe, der Anhieb, Spannung in der Schnur, zügig eingekurbelt, sogar Hochhalte...Maaannnn. Ich hatte zwar den Eindruck, der Fisch war nicht mega im Futter, aber die Grösse war schon stattlich. Wahrscheinlich hätte ich ihn - wenn vertretbar – nach einem Foto im Feumer wieder schwimmen lassen.

Ein befreundeter Fischer hatte wohl recht, als er letztes Jahr meinte, die zum Ende hin verdickten Einzelhaken (sollen wohl für Stabilität und Zusatzgewicht sorgen) dringen zu wenig tief ins Maul ein. Und dass ich manchmal einfach zu faul bin, solche Dinge zu beheben, weiss ich eigentlich auch.

Nun, ich dachte einfach an die kiloweise Food-save-Aktion-Fischefilets zuhause im Tiefkühler, die es in den kommenden Monaten zu verputzen gilt, packte demütig zusammen und machte mich auf den Nachhauseweg.



*(«janz weit draussen»)
The mountains are calling & I must go & I will work on while I can, studying incessantly.
John Muir, 1873
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Simu
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Re: "Sone fuli Sou..."

Beitrag von Simu »

:lol: super zum lesen! Gerne noch zig solche berichte! Wünsche dir petri und das nächstesmal eine hängen bleibt.
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Basler-Felchen-Pimper
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Re: "Sone fuli Sou..."

Beitrag von Basler-Felchen-Pimper »

Hammer Text, beschreibt den Tag wie es sicher schon jeder Fischer erlebt hat :D :v:
Gruss Marco
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