Im Juli steht für mich jeweils das Highlight der Fischersaison an. Der Ausflug mit unseren Kids zum Fischen am Bergsee.
Da meine Kinder nicht so oft fischen wie ich, war ich als Guide echt gefordert. Insbesondere, was die Vorbereitung betraf. Von den Tagespatenten, über Sonnencreme, Brot, Wurst, Käse, Mineralwasser und Cola, bis hin zu Bienenmaden und Forellenteig musste alles beschafft und fein säuberlich gepackt werden. Wer will schon nach 90 Minuten Anfahrt und 30 Minuten Fussmarsch umkehren, nur weil er die Angelhaken vergessen hat?
Schon vom Illpass her ist der Anblick des Illsees berauschend. Das smaragdgrüne Wasser und die Stille, die den abgeschiedenen See umgibt, üben auf mich eine magische Anziehungskraft aus. Wären da nicht die Staumauer und das vegetationslose Ufer vom nicht ganz gefüllten See, würde ich mich schon fast als Abenteurer in der Wildnis fühlen.
Blick vom Illpass zum Illsee
Der Illsee gehört zur Gemeinde Leuk. Er liegt etwa 5 km südöstlich von Sierre auf 2360 m ü. M. und hat eine Fläche von 0.21 km². Nur ein Teil des Wasserzuflusses ist natürlich, also Schmelz- und Regenwasser, der grösste Teil des Wassers wird über Oberems aus der Turtmänna in den See gepumpt.
Mit jedem weiteren Schritt hinunter zum See wird die Anziehungskraft grösser. Als ich die ersten Ringe von steigenden Forellen erkennen kann, werden die Schritte unbewusst merklich schneller. Ich lasse mich von meiner Intuition leiten und führe unsere grossen Kinder ans Ende des Sees, wo ich tiefe Stellen mit hungrigen Cristivomern erwarte.
„Magic Moments“
Wir nehmen unsere Plätze auf grossen Felsbrocken ein, wo es zum Glück auch schattige Stellen hat. Sobald die Sonne da ist, steigen die Temperaturen am See rasch an und bald hat es viele Fluginsekten nach denen die Regenbogenforellen gierig an der Wasseroberfläche schnappen. So gierig, dass unsere Namaycush-Köder kaum unbeschadet auf den Seegrund sinken können.
Der ganze See gehört uns!
Mein Sohn fängt bald die erste Regenbogenforelle. Eine kleiner Fisch zwar, aber wunderschön. Alle Flossen sind perfekt ausgebildet. Das herrliche Schuppenkleid schimmert wie ein edler Silberbarren an der gleissenden Sonne. Rücken und Kopfpartie sind stahlblau. Ein perfekter Fisch, zweifellos aus Sömmerlingsbesatz.
Der erste Fisch des Tages
Motiviert durch den ersten Fang, arbeiten wir weiter. Während meine Tochter die gemütlichere Technik des Grundfischens anwendet, versuche ich mein Glück mit weiten Würfen und langsamem Einziehen des Köders. Ich verwende Forellenteig und Bienenmaden.
Gemütliches Grundfischen
Spinnfischen
Mein Sohn, wendet die gleiche Technik an und fängt schon bald die dritte, massige Regenbogenforelle. Alle drei Tiere sind relativ klein aber kampfstark und perfekt schön.
Der zweite Fisch des Tages
Der dritte Fisch des Tages
Ganz einfach und simpel: Perfekt!
Langsam werde ich nervös. Als selbsternannter PESAAG (PErfect Swiss Alp Angling Guide) habe ich mir die Latte sehr hoch gesteckt. Zwei Stunden fischen und noch keinen Fisch gefangen! Das PE vom PESAAG muss ich mir heute wohl noch hart erarbeiten.
Ich fische konzentriert weiter und suche systematisch die tiefen Stellen ab. Plötzlich habe ich einen heftigen Biss, ziehe weiter, noch ein Biss und …verliere den Fisch. Verständlich, dass mir so nahe der Sprachgrenze ein lautes „Merde“ aus tiefster Kehle entgeht. Das laute Echo ist mir fast peinlich. Ich mache mich für einen kurzen Moment so klein wie möglich und hoffe, dass das Echo in dieser stillen Bergwelt bald verhallt.
Ob der Petrus wohl französisch spricht? Wie dem auch sei, mein befreiendes Fluchen wurde irgendwie erhört. Beim nächsten Wurf zupfe ich den Köder fein ein und lasse ihn nach jedem Zupfen wieder bis auf den Grund sinken. Plötzlich ein Biss und mein erster Fisch ist gehakt. Ich ziehe ihn schnell, aber mit der nötigen Vorsicht ans Ufer. "Cristivomer...vomer...mer" hallt es durch die Bergwelt. So laut, dass sich alle Murmeltiere im Umkreis von zwei Kilometern in ihre Höhlen verkriechen. Und diesmal ist mir das Echo viel zu kurz und überhaupt nicht peinlich. Ich lande den Fisch und mein Sohn und meine Tochter sehen mich um Zentimeter wachsen.
Cristivomer…vomer…mer!
„Endlich habe ich die richtige Stelle und die richtige Technik gefunden“ denke ich mir. Ich fische verbissen weiter und fange gleich noch eine zweite Cristivomer. Auch sie ist sehr schlank aber wie die Regenbogenforellen perfekt schön.
Die zweite Cristivomer
Leider ist es schon bald Zeit zum Aufbrechen. Wir nehmen den kurzen, steilen Anstieg hinauf zum Illpass unter die Füsse. Müde zwar, aber mit herrlichen Souvenirs im Kopf. Souvenirs, die uns hoffentlich sehr lange begleiten werden.