Der Gletschersee

Hier ist der Platz, um Eure Fänge zu präsentieren.
alpfish

Der Gletschersee II

Beitrag von alpfish »

Wie jedes Jahr versuche ich nach Möglichkeit im Oktober dem Gletschersee einen Besuch abzustatten. Bereits der Bach im Tal verrät, ob die Gletscherschmelze zurück geht - das trübe Wasser wird allmählich etwas klarer.

In diesem Jahr bin ich spät dran, oft sind die Seen Ende Oktober im Hochgebirge schon gefroren. So bin ich froh mein Fischgewässer, einen klaren See auf ähnlicher Höhe, noch ganz offen vorzufinden. Es liegt bereits viel Schnee hier oben. Die hochgestiegene Nullgradgrenze lässt ihn jedoch nochmals deutlich zurückweichen. Gegen den Abend verdichten sich die Wolken zu Nebel, der alles in eine feuchte, dafür eher warme Hülle einschliesst. Während der Nacht ist ein leichter Regen auf dem Zelt zu hören. Am Morgen löst sich der Nebel dann allmählich wieder auf.

Das Fischen am See beim Zeltplatz ist kurzweilig. Es gibt viele Bisse von See- und Bachsaiblingen, die sich hier über die Jahre grosszügig vermehrt haben. Es hat nur wenige Räuber im See, die den Kleinwuchs bremsen. Gegen Mittag lassen sich steigende Fische beobachten. Nachdem die Sicht Richtung Gletschersee immer besser geworden ist, wage ich am frühen Nachmittag die Wanderung entlang der teilweise steilen Flanke. Nach dem zweiten Grat öffnet sich der Blick auf den See in der Ferne. Eine glänzende Eisschicht strahlt zurück: wohl zu spät! Dennoch will ich den See von nah besichtigen. Je näher ich zum See komme, umso mehr Wolken verschlechtern die Sicht. Auf der anderen Seite vom See ist jedoch noch eine offene Wasserfläche zu erkennen. Im Sommer ist diese Seite nur schwer erreichbar: gegen den Berg zu ragt eine fast senkrechte Felswand aus dem See und gegen die Talseite muss der beträchtliche Ausfluss überquert werden. Heute ist es aber ein Kinderspiel über das kleine Bächlein zu hüpfen.

Der Blick über den See endet jetzt im Weiss von Eis und Nebel. Bald darauf ist die eisfreie Stelle erreicht. Die glatte, graue Oberfläche vom Wasser wirkt leblos. Es ist windstill. Ausser dem nahen Gletscherzufluss ist nichts zu hören. Die Zeit scheint stehen zu bleiben. Da, ein feiner Ring auf dem Wasser - nicht recht zu sehen im Nebel. Es könnte auch nur von einem Insekt sein. Kurz darauf kann ich tatsächlich eine Köcherfliege über das Wasser laufen sehen. Für den sonst so trüben Gletschersee treffe ich diesmal Wasser an, das immerhin im Uferbereich die Bodenstruktur erkennen lässt. Das kannte ich so bis anhin nur vom Juni, wenn das schmelzende Eis vom See wieder erste Einblicke ins Wasser gewährt. Kurz danach bringt dann der wachsende Gletscherfluss das fein gemahlenen Steinmehl mit und die Sicht geht auf nahe Null.

Wieder sehe ich eine Köcherfliege auf dem Wasser. Ich stelle die Fliegenrute bereit, wobei der Blick immer wieder suchend über den sichtbaren Bereich vom See schweift. Bald habe ich Gewissheit, da war klar ein Fisch zu sehen, der ein Insekt von der Oberfläche gepflückt hat. Wer schon mal an einem See mit der Trockenfliege gefischt hat, der weiss, dass es manchmal sehr schwierig ist, die Fliege zur rechten Zeit am rechten Ort zu haben. Manchmal futtert ein Fisch auf einer Linie ein Insekt nach dem andern ein. Dann ist es einfach, gedanklich die Kette zu verlängern und einen Treffer zu landen.

Heute ist es Lotto! Keine Ahnung wo als nächstes ein Fisch steigen wird. Aber das hier an diesem See überhaupt Fische steigen ist schon mal ein Treffer. Viele Jahre habe ich auf diese Chance gehofft. So werfe ich den die Fliege auf gut Glück aus und Versuche mit periodischem, kurzem Einziehen der Fliege etwas Leben einzuhauchen. Die Futternahme der Fische ist sehr unregelmässig. Lange Minuten tut sich gar nichts, dann in kurzer Zeit an unterschiedlichen Stellen mehrmals. Ich versuche abzuleiten, wie viele Fische mindestens beteiligt sind und komme auf drei. Bisher konnte ich nur einen Fische an diesem See sicher beobachten (und fangen). Es wird mir bewusst, dass ich eine sehr günstige Konstellation angetroffen habe: Die Trübung hat sich dank klarem Zufluss und Sedimentation deutlich reduziert, die warme Temperatur lässt die späten Köcherfliegen aktiv werden, der grossteils mit Eis bedeckte See konzentriert Fisch und Insekt auf die kleine eisfreie Fläche und dank der Windstille ist die ganze Beobachtung möglich. Doch nun scheint, es fehlt das Quäntchen Glück zum Fang. Den Weg zurück zum Camp darf ich nicht zu spät antreten, schlimm genug wenn ich im Nebel den Weg suchen muss, dunkel darf es nicht werden.

Nun montiere ich an der ebenfalls mitgenommenen Spinnrute einen kleinen Löffel. Ich überwerfe den zuletzt gesehenen Ring und beginne sofort mit dem Einziehen. Der zweite Wurf erfolgt entlang dem Ufer wo gelegentlich auch ein steigender Fisch zu sehen war. Treffer! Aus dem Grau taucht eine helle Flanke auf und bald ist der Fisch am Ufer. So kommen wir also endlich zum zweiten Fisch in zwanzig Jahren. Lange betrachte ich die gelandete Namaycush wie sie da vor mir auf dem Schnee liegt und allmählich die bleichen Zeichnungen dunkler werden. Das Glücksgefühl hält sich in Grenzen, gerne hätte ich diesen Fisch im anderen See lebend ausgesetzt.

Fortsetzung folgt…
forellenfreak

Re: Der Gletschersee

Beitrag von forellenfreak »

Vielen Dank für diesen super Bericht. Sehr spannend und interessant geschrieben. Ich freue mich jetzt schon auf die Fortsetzung:-) Gruess und Petri Kevin
Benutzeravatar
talisker
Beiträge: 81
Registriert: Sa 12. Okt 2013, 22:43
Meine Gewässer: Greifensee, Zürichsee
Wohnort: Mönchaltorf
Switzerland

Re: Der Gletschersee

Beitrag von talisker »

:shock: unglaublich...

einfach der Hammer :v: :v:
mit gruss vom Fuss

Roland
aspidelaps

Re: Der Gletschersee

Beitrag von aspidelaps »

schöner bericht!
und in 20 jahren zwei fische, da kann ich mir trotz bedrücktem Glücksgefühl, deine Freude schon vorstellen.
bin auf jeden fall gespannt auf den 2 teil!
forellenfreak

Re: Der Gletschersee

Beitrag von forellenfreak »

Was mich noch brennend interessiert....wie viele kleine Namaycush hast du den vor 20Jahren im See ausgesetzt....den bei einer Hand voll ist ja solch ein toller Fisch schon ein Geschenk und eben ein unglaubliches Erlebnis :D
alpfish

Re: Der Gletschersee

Beitrag von alpfish »

Hier noch die Vergleichsdaten der zwei gefangenen Namaycush:

Namaycush 2008 43 cm 700g:
Bild

Namaycush 2013 46cm 680g:
Bild



Kiemendeckel: 2008:
Bild

Kiemendeckel 2013:
Bild

Der See hat ca 4 ha Fläche. Es wurden dazumals 200 Sömmerlinge eingesetzt
forellenfreak

Re: Der Gletschersee

Beitrag von forellenfreak »

Wow wunderschöne Namaycush:-) Hoffentlich können sie sich auch natürlich vermehren.....jedoch habe ich mal gehört dass das in Bergseen mit starkem Gletscherschliff eher schwierig sei...wegen den Sedimenten. 200Stück sind jedoch nicht wenig...ok der stärkere überlebt. Finde es unheimlich spannend deine Abenteuer von diesem hochinteressanten See zu verfolgen. :v: :v: :v:
alpfish

Der Gletschersee III

Beitrag von alpfish »

und nun zum dritten Teil...

Aufgrund der optimalen Bedingungen am Gletschersee ist rasch beschlossen am nächsten Tag ein zweites Mal den See aufzusuchen, auch wenn an diesem Tag zusätzlich der Abstieg ansteht - wer weiss wie viele Jahre es dauern wird, bis ich wieder ähnliche Bedingungen antreffen kann?

Diesmal kommt der wasserdichte Packsack mit. Bei deutlich besserem Wetter treffe ich erneut an der eisfreien Stelle ein. Schon bald lassen sich vereinzelt steigende Fische erkennen. Als erstes erstelle ich am steinigen Ufer einen kleinen Pool um den allfälligen Fang lebend hältern zu können.

Nun geht’s mit der Trockenfliege auf die Pirsch. Die Fische steigen zeitweise nahe dem Ufer entlang. Lange Zeit geht gar nichts, dann kann ich zuschauen wie aus dem trüben nichts von unten ein grosser Fisch auftaucht und einen Meter neben meiner Fliege ein anderes, echtes Insekt bevorzugt. Ich versuche zu erkennen wie gross die steigenden Fische sind, denn natürlich möchte ich wissen, ob nach den zwanzig Jahren auch Nachwuchs aufgekommen ist. Doch nur direkt an der Oberfläche lässt sich der Fisch erkennen. Meist sieht man nur noch die Wasserwellen danach. Das Wasser ist eben doch zu trüb, um den Fischen mit dem Auge folgen zu können. Das verunmöglicht es auch, einen Fisch auf Sicht im voraus gezielt anwerfen zu können. Die Art der Fischerei nenne ich Ansitzangeln mit der Fliege. Das Auge stetig auf die Trockenfliege gerichtet, weil jederzeit der Fisch kommen kann und rasch ein Anhieb gesetzt werden muss.

Es klappt! Tatsächlich kann ich an diesem Tag zwei schöne Namaycush mit der Trockenfliege fangen. Ein Fehlbiss und weiterhin steigende Fische verraten, dass es nicht die letzten waren. Die beiden Namaycush sind gut 40 cm lang. Etwas kleiner, aber doch ähnlich gross wie die bisherigen. Mit viel eiskaltem (und schwerem) Wasser transportiere ich die zukünftigen Räuber zum anderen See. Hier werden sie bestimmt mehr Nahrung finden und ihre Gene sollen den kleinen Bestand hier stärken.

Bild

Glücklich und zufrieden schaue ich den beiden im klaren Wasser nach wie sie in ihre neue Heimat einziehen.
forellenfreak

Re: Der Gletschersee

Beitrag von forellenfreak »

Wie immer super spannend geschrieben, vielen Dank dafür. Bin gespannt wie sich die beiden Prachtsnamaycush in dem anderen See entwickeln.
Benutzeravatar
Raubfisch234
Beiträge: 280
Registriert: Sa 7. Apr 2012, 23:36
Meine Gewässer: Bergseen und Fliessgewässer Graubündens
Been thanked: 1 time
Switzerland

Re: Der Gletschersee

Beitrag von Raubfisch234 »

Wirklich sehr interessant was du an deinem See erlebst. Namaycush sind für mich die edelsten in der Schweiz vorkommenden Fische. Ich glaube der besondere Reiz an ihnen ist ihre Langlebigkeit und damit auch ihre erreichbare Grösse, ihr Anpassungsvermögen in kargen nahrungsarmen und während des Jahres meist eisüberdeckten Bergseen, ihr besonderes Jagdverhalten und letztlich schmecken sie auch ausgezeichnet zum Essen.

Würde einmal optimistisch sagen, dass sich die Fische noch vermehren werden oder dies bereits getan haben. So schlecht können die Lebensbedingungen ja nicht sein - sonst wären nicht mehrere Fische von nur 200 Sömmerlingen über 40cm angewachsen. Ob sie sich vermehrt haben, wirst du dann in den nächsten 1-5 Jahren sehen, denke bis dann solltest du mal einen kleinen Fisch gefangen haben, falls sie sich wirklich einmal vermehrt haben.
Benutzeravatar
track
Beiträge: 94
Registriert: Sa 24. Dez 2011, 15:05
Meine Gewässer: BE, TI, GR und Rest der Welt
Been thanked: 24 times
Switzerland

Re: Der Gletschersee

Beitrag von track »

Eine grosse Bereicherung für's Forum, unerreicht. :up:
The mountains are calling & I must go & I will work on while I can, studying incessantly.
John Muir, 1873
Doubs-hunter

Re: Der Gletschersee

Beitrag von Doubs-hunter »

Hallo und vielen Dank für dein spannenden Bericht. Ein Genuss zu Lesen :D .

Dazu passend habe ich kürzlich ein Bericht gelesen: Die nachweislich älteste gefangene Seeforelle im Yukon Territorry Canada stammte aus dem Kluane Lake (ebenfalls ein trüber, eiskalter Gletschersee). Es war ein männlicher Fisch, 47 Jahre alt und nur 68 cm lang mit 3,6 kg. Gefangen 2009.

Liebe Grüsse und weiter so......
Benutzeravatar
Garrick
Beiträge: 355
Registriert: Di 4. Nov 2008, 15:42
Has thanked: 92 times
Been thanked: 21 times
Switzerland

Re: Der Gletschersee

Beitrag von Garrick »

Hallo Alpfisch

deine Namaycush dürfte im 11. (+-1Jahr) Altersjahr gewesen sein.

Hier eine untersuchte Namaycush aus einem Kleinsee mit einem verbutteten Seesaiblingbestand auf 2400m.ü.M.
Wobei die Wachstumskurve so nicht stimmt. L4 dürfte aufgrund der Nahrungszusammensetzung max. bei 35 - 40 cm liegen.
Erst danach hat das gute Wachstum angefangen.
Bild

Bild

Schuppenanalysen sind bei Namaycush relativ einfach. Müssen aber 30 - 40 Schuppen untersucht werden,
da ansonsten infolge Neuaufbau bei Verlust der Schuppe ein Fehlresultat entsteht. In manchen Seen im Bündnerland
ernähren sich die Namaycush während des Winters sehr intensiv. So dass sie während der Eisschmelze
schon Fett eingelagert haben. Also kaum Wachstumspause.

Gruss Garrick
jamilin

Re: Der Gletschersee

Beitrag von jamilin »

Super Tread!
Sehr spannend und informativ.
forellenfreak

Re: Der Gletschersee

Beitrag von forellenfreak »

Der beste Bericht im Forum :v:
Antworten

Zurück zu „Fangberichte Bergsee- und Eisfischen“