Der Gletschersee

[alpfish]

Er wirkt leblos, ist recht gross, trüb und kalt – eiskalt, auch im Sommer. Das Gletscherwasser fliesst über eine hohe Felswand in Kaskaden dem See zu. Im Sommer viel, im Winter wenig. Vereinzelt sieht man an diesem Oktobertag kleine, dünne Eisflächen auf dem See schwimmen. Der Wind hat am gegenüber liegenden Ufer die Schichten zu hohen, weissen Rändern aufgetürmt. Eis, das sich in der kalten Nacht gebildet hat und nun langsam von der Herbstsonne geschmolzen wird.
Die Umgebung ist karg. Fels und Stein allüberall, ab und zu mal belebt von einer kleinen Polsterpflanze. Mal gelb, mal rot oder auch blau. Eine erstaunlich grosse Artenvielfalt. Es ist kein See bei dem man ans Fischen denkt.
Und doch, sieht man genauer hin, so erkennt man vereinzelt am Ufer Köcherfliegenlarven. Im Sommer ist das Licht hier oben intensiv. Algen wachsen im Bereich vom Licht und bilden die Basis. Bei ruhigem Wetter findet man auf der Wasseroberfläche die Hüllen von ausgeschlüpften Zuckmücken. Wo die wohl im See leben? An einigen Stellen fliessen kleine Rinnsale in den See, manchmal versteckt unter dem steinigen Boden. Man erkennt dies an klarem Wasser im Uferbereich. Und genau dort sehe ich plötzlich eine Bugwelle! Das war wohl der Wind, der spielt hier oben dem Fliegenfischer gerne mal einen Streich.
Nein es hat keine Fische hier. Wieso ich das weiss? Nun ich habe hier so ziemlich alles versucht, weil nie ein Fisch zu sehen war, mit Spinnfischen, dann Würmer über Nacht und zuletzt noch ein Netz. Ich wollte schliesslich wissen, ob sich der eingebrachte Besatz entwickelt hat: kein Zeichen war zu finden. Zu zweit trugen wir die kleinen Sömmerlinge hoch zum See, ich erinnere mich gut an die ungläubigen Augen von meinem Begleiter: “Hier in diesem trüben, kalten See willst du die einsetzen?“ Ich wollte. Dieser Besatz liegt nun 15 Jahre zurück. Ab und zu komme ich hier vorbei und geniesse die Berglandschaft. Die Hoffnung hab ich nie ganz aufgegeben denn im trüben Wasser ist das Fischen nicht einfach. Natürlich war von Anfang an klar, dass dieser See ein Grenzfall ist. Weil aber ein anderer See nicht weit entfernt liegt, war es nahe liegend einen Versuch zu machen. Die Bewilligung dazu hatte ich. Klar war, welcher Fisch hier eine Chance hat: die Namaycush. Sie braucht kaltes Wasser und in so einem See kommt sie auch an die Oberfläche um von dem wenigen zu fressen das es gibt. Und fressen tut die so ziemlich alles.
Nun sah ich das nicht mehr Mögliche. Ich schrie laut in die Berge und das Echo bestätigte mir: es war nicht der Wind! Wie im Bilderbuch ein regelmässiges Steigen und erreichbar. Die Fliegenwahl ist einfach, der nervöse Wurf lässt die Fliege aufklatschen. Hier müsste sie doch sein? Ich sehe die dunkle Fliege nicht, will sie etwas furchen lassen… Aber nanu da hängt ja der Fisch schon dran! Eine kräftige Gegenwehr setzt ein. Entschlossen führe ich den stattlichen Fisch rasch heran und lande ihn am steinigen Ufer.
Selten zuvor hat mich ein Fisch so glücklich gemacht.

[fishersam]

Hallo Alpfish!

Sehr gut geschrieben! Genau diese Art von Berichten liebe ich. Muss ein traumhaftes Plätzchen sein und du zeigst deutlich die Bedeutung der beiden Tugenden Geduld und Beobachtungsgabe in der Fischerei auf!

Gruss

[Horst Schlümmer]

Fiktion oder Realität ? Auf jeden Fall sehr schön geschrieben !

Gibts eventuell auch ein Bild der Kanadierin ? Wie gross war sie denn ?

[alpfish]

Hier noch der "Glücklichmacher" 43cm/700g

[jerkfreak]

hammer!

[Käpten Adi]

schöner fisch petriprost auch zum kuhlen bericht

[Nidi]

WOOW!! Bei so einem Bericht braucht es keine Bilder. Die hat man beim lesen im Hinterkopf. Sogar den Fisch konnte ich mir bildlich vorstellen. Du kannst nicht nur gut Fotografieren, nein auch super schreiben. Wann hast du gesagt kommt dein erstes Buch in den Handel? Einfach nur Kompliment und herzlichen Dank.

[chruemi]

danke für den schönen bericht

[GsusFreaK]

Wunderbar geschrieben!

Ist die Namaycush 15jahre alt und so "klein" oder verlaichen diese Fische in dem See?

[goggy]

danke für den einzigartigen bericht! und natürlich riesen dickes petri

[Horst Schlümmer]

Ist die Namaycush 15jahre alt und so "klein" oder verlaichen diese Fische in dem See?

Genau das habe ich mich auch gefragt.

[fisher91]

Ein Bericht der Spitzenklasse.
dann noch ein bild der namaycush ist das tüpfchen auf dem i.
hast du auch noch ein bild der trüben milchsuppe

freu mich auf weitere berichte...

[miKe]

Grosse, grosse WELTKLASSE!

Prima Bericht und sehr schön geschrieben! Danke Alpfish - dieser Bericht macht wirklich Spass!

[alpfish]

Vielen Dank für das Intresse und eure Komplimente!

Ja, ich möchte auch gerne wissen wie alt die Namaycush ist. Sobald es klappt werde ich ein Bild vom Kiemendeckel einstellen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten eine Altersbestimmung durchzuführen. Üblich sind Schuppen unter dem Mikroskop. Habe das früher mal probiert, aber wenig Erfahrung. Es gibt eine Art Jahresringe. Aber diese Ringe richtig zu interpretieren ist wirklich nicht einfach. Jedenfalls erkennt man Ringe plus minus auch am Kiemendeckel. Wenn es hier einen Profi gibt, schicke ich gerne ein par Schuppen zu
Der Seeboden besteht aus den Sedimenten vom Gletscher. Ob sich hier die Fische verlaichen können weiss ich nicht, staune aber immer wieder wie gut es in sauberem Wasser sonstwo geht. Die Namaycush war ein Weibchen und hatte eine erstaunlich gute Kondition. Die Leibeshöhle war sehr fettig und enthielt noch ganz wenige Eier. Es sah also ganz so aus als ob das diesjährige Laichen bereits stattgefunden hat. Die (vielen) neuen Eier waren klar zu sehen aber noch sehr klein. Der Magen war voll gefüllt mit Anflugnahrung und einzelnen Köcherfliegenlarven. In 15 Jahren ist eine Namaycush normalerweise schon wesentlich grösser, In diesem See kann sie sich aber nicht wirlich zum Räuber entwickeln und die Temperatur ist im Sommer deutlich niedriger als in anderen Seen. Jedenfalls werde ich nächstes Jahr vermehrt hingehen. Es ist eben sehr spannend in einem Gewässer zu fischen, wenn man den dortigen Fischbestand kennt und seine Entwicklung verfolgen kann.

Das Wasser ist im Sommer sehr trüb und wird jetzt allmählich klarer. Die geschätzte Sichttiefe betrug ca 15cm. Und @ nidi: bin noch nicht in Pension, also warten

gute Nacht allerseits

[alain]

hello alpfisch


Klasse bericte