Druckausgleich bei Felchen aus grosser Tiefe

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Sigi59
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Druckausgleich bei Felchen aus grosser Tiefe

Beitrag von Sigi59 »

Sali Zäme

Momentan halten sich die Felchen in meiner Fischerregion am Thunersee immer noch in grosser Tiefe (>40 m) auf. Wenn ich Felchen aus dieser Tiefe an die Oberfläche heraufhole, kommt es immer wieder vor, dass diese den Druckausgleich nicht schaffen. Gerade wenn diese das Fangmass noch nicht erreicht haben, dann überleben sie das Zurücksetzen nicht. Ich habe schon unterschiedliche Techniken versucht, von schnellem bis langsamen Hochholen, leider ohne spürbaren Erfolg. Was mich erstaunt ist, dass einige wärend dem Hochholen, auf dem Echolot gut sichtbar, den Druckausgleich duch ausstossen von Luft vollziehen. Bei den Anderen fehlt das fast vollständig und gelangen so leider mit einem ausgeprägten Bauch an die Oberfläche. Ich habe dazu gelesen, dass Felchen mit dem Tiefenausgleich weniger Probleme haben sollten da sie eine Verbindung von der Schwimmblase zum Darm besitzen. Mich erstaunt dann aber, dass wenn ich eine Rotfeder aus dieser Tiefe raufhole, diese weniger Probleme damit haben. Da mir der machmal fehlende Druckausgleich der Felchen zu denken gibt, überlege ich mir die Felchenfischerei zurückzustellen, bis sie wieder in geringerer Tiefe zu finden sind.

Macht Ihr die selben Erfahrungen und wie steht Ihr dazu? Gibt es Tricks mit denen ich es den Fischen ermöglichen könnte, den Druckausgleich aus dieser Tiefe besser zu schaffen?

Gruss Sigi

P.S. Unter Trommelsucht gibt es eine ausführliche Bericht zum problematischen Druckausgleich von Egli und Zander.
Zuletzt geändert von Sigi59 am Di 13. Apr 2021, 11:28, insgesamt 1-mal geändert.
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Andreas
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Re: Druckausgleich bei Felchen aus grosser Tiefe

Beitrag von Andreas »

Sigi59 hat geschrieben: Do 1. Apr 2021, 13:40 mir der machmal fehlende Druckausgleich der Felchen zu denken gibt, überlege ich mir die Felchenfischerei zurückzustellen, bis sie wieder in geringerer Tiefe zu finden sind.

Ich denke dies ist ein sehr guter Vorsatz.
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Rolf
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Re: Druckausgleich bei Felchen aus grosser Tiefe

Beitrag von Rolf »

Gasaustausch bei Coregonen


Was passiert, wenn wir Felchen / Renken / Maränen aus der Tiefe herauf Drillen. Wie findet der Gasaustausch statt, damit die Fische nicht schon vor dem Erreichen der Wasseroberfläche sterben und wie sind die Chancen, dass man seinen Fang wieder erfolgreich zurücksetzen kann.

Die grosse Familie der Coregonen (Felchen, Renken, Maränen) gehören zu der Familie der Salmoniden, dazu gehören die Lachsartigen (salmonidae). Diese wiederum teilen sich in zwei Gruppen auf. Die Coregonen, zu denen die Saiblinge (See- und Bachsaibling) sowie die Aeschen gehören. Die zweite Gruppe sind die Forellen (Bachforelle, Regenbogenforelle, Marmorata, Meerforelle und die Lachse).

In fast allen Seen und Fliessgewässern auf der nördlichen Halbkugel sind Arten dieser Gattungen vertreten, wobei sich die meisten Arten auch ausschliesslich auf diesen Raum beschränken und bevorzugt kühle Gewässer bewohnen. Alle Salmoniden kommen im Süsswasser vor, eine Ausnahme bilden die Lachsartigen (offenes Meer) und die Meerforelle (Brackwasser).

Die Atmung

Fische nehmen auf verschiedene Weise Sauerstoff auf. Den Grossteil durch die Kiemen, die sich hinter dem Kopf seitlich am Körper befinden. In den haarfeinen Kiemenblättchen der Kiemen erfolgt ein Gasaustausch mit dem Blut und den im Wasser gelösten Gasen Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid. Die Kiemen besitzen die Fähigkeit, Sauerstoff aus dem Wasser in das Blut aufzunehmen und Kohlenstoffdioxid abzugeben. Das sauerstoffreiche Blut gelangt über Blutbahnen zu den Körperarterien, zu den Organen und zur Muskulatur. Dort dient der Sauerstoff zusammen mit den Nährstoffen aus der Verdauung zur Erzeugung von Bewegungsenergie und Wärme. Das dabei gebildete Kohlenstoffdioxid gelangt über die Körpervenen in das Herz, welches den Blutkreislauf durch Pumpbewegungen am Leben erhält und danach wieder zum Gasaustausch in die Kiemen. Die bei uns heimischen Knochenfische besitzen vier Paar Kiemenbogen, die dünnhäutig und stark durchblutet sind. Sie sind in zwei Reihen angeordnet.
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Zum Maul hin besitzen die aus Knorpel bestehenden Kiemenbogen dornartige Fortsätze: die Kiemenreusen. Mit ihnen filtern die Fische das Atemwasser und schützen die zarten Kiemenplättchen vor Verschmutzung. Fische, die sich überwiegend von Plankton ernähren (z. B. Felchen, Renken, Maränen) verwenden die Kiemenreusen, um Nahrung aus dem Wasser zu filtern. Bei diesen Fischarten sind die Dornen besonders lang und zahlreich vorhanden.

Die Fische atmen in zwei Schritten: Mit anliegendem Kiemendeckel und sich öffnendem Maul saugen sie Wasser in den Mundraum ein. Durch Zusammenpressen der Mundhöhle bei geschlossenem Maul drücken sie dann das Wasser zwischen den Kiemenbögen wieder aus dem Körper hinaus. In dieser Phase sind die Kiemendeckel geöffnet. Wenn das Wasser die Kiemenbögen umspült, erfolgt der Gasaustausch an den Kiemenplättchen. Der Sauerstoff gelangt ins Blut (Schritt eins), das Kohlendioxid wird an das Wasser abgegeben (Schritt zwei).

Die Schwimmblase

Die Schwimmblase hilft dem Fisch Energie zu sparen. Durch sie kann er mit wenig Aufwand seine Lage im Wasser steuern, tiefer sinken, aufsteigen oder in einer bestimmten Wassertiefe schweben. Fische, die keine Schwimmblase haben, müssen dagegen ihre Position im Wasser ständig durch die Bewegung ihrer Flossen steuern und verbrauchen somit viel mehr an Energie. Coregonen (Salmoniden) können den Druck in der Schwimmblase beeinflussen, ihnen ist es damit möglich, schneller in grössere Tiefen oder Höhen zu wechseln.

Die Schwimmblase liegt in der Leibeshöhle unterhalb der Wirbelsäule. Alle Coregonen (Salmoniden) verfügen über eine einfache Schwimmblase mit nur einer Kammer. Über einen Luftgang, der zum Darm führt, können sie beim Aufsteigen überschüssiges Gas schnell ans Wasser abgeben. Bei den Barschartigen (Egli) fehlt die Verbindung zum Darm. Wenn ihre Fischlarven aus dem Ei schlüpfen, ist die Schwimmblase noch nicht mit Luft gefüllt. Die Larven steigen deshalb zur Wasseroberfläche und schlucken Luft, die über den in diesem Stadium noch vorhandenen Luftgang in die Schwimmblase gelangt. Dieser Luftgang bildet sich dann später zurück. Bei den Jungfischen und erwachsenen Tieren erfolgt der Druckausgleich, indem das Gas an das Blut abgegeben bzw. aus dem Blut aufgenommen wird.

Der Blutkreislauf

Das venöse Herz der Coregonen besteht aus einer Vorkammer (Atrium) und einer Hauptkammer (Ventrikulum). Das sauerstoffarme Blut aus dem Körperkreislauf tritt über die Körpervene (sinus venosus) in die Vorkammer (Atrium) ein, fliesst von dort in die Hauptkammer (Ventrikulum) und wir durch Körperarterien durch die Kiemenarterien gepumpt, zum eigentlichen Gasaustausch. Ventilklappen verhindern den Rückfluss des Blutes, oberhalb der Kiemen wird sauerstoffreiches Blut in den rechten und linken Hauptschlagadern (Aortenwurzeln) gesammelt, die sich weiter hinten zur Hauptschlagader (Aorta dorsalis) vereinigen.
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Fazit

Die Coregonen sind also in der Lage den Gasaustausch relativ schnell auszuführen. Somit ist die Gefahr beim drillen eine Felche zu „überfordern“ relativ gering. Man kann während des Drills gut beobachten wie Luftblassen aufsteigen und wie die Fische selbst im Feumer ihren Gasaustausch fertig ausführen. Vielfach ist dann an der Wasseroberfläche (im Feumer, in der Hand, im Kessel) ein deutliches Geräusch (gesangsähnliche Pfeiftöne) zu hören. Diese gut hörbaren Anzeichen sind ein Garant dafür, dass der Gasaustausch geklappt hat und somit einem Zurücksetzen nichts mehr im Wege steht. Im Allgemeinen gilt aber immer, den Drill zügig zu beenden, vor allem wenn man die Fische zurücksetzen möchte.

Dies gilt nicht für die Egli (Barschartige). Da ihnen die nötigen anatomischen Voraussetzungen fehlen, sollten sie immer mit bedacht gedrillt werden, vor allem aus grösseren Tiefen, ansonsten drückt es ihnen vom zu schnellen Druckunterschied die Schwimmblase aus dem Körper und sie tritt aus der Mundhöhle aus. Fische mit solchen Anzeichen sind unweigerlich dem Tode geweiht und dürfen nicht mehr zurückgesetzt werden!
Gruss Rolf

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Sigi59
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Re: Druckausgleich bei Felchen aus grosser Tiefe

Beitrag von Sigi59 »

Rolf vielen herzlichen Dank für diesen ausführlichen und wirklich informativen Beitrag zum Gasaustausch bei Coregonen - einfach grandios. Hat mich sehr interessiert mehr zu diesem Thema zu erfahren und konnte so mein Wissen über diese Art sehr erweitern.
Rolf hat geschrieben: Do 1. Apr 2021, 14:26 Die Coregonen sind also in der Lage den Gasaustausch relativ schnell auszuführen. Somit ist die Gefahr beim drillen eine Felche zu „überfordern“ relativ gering. Man kann während des Drills gut beobachten wie Luftblassen aufsteigen und wie die Fische selbst im Feumer ihren Gasaustausch fertig ausführen.
Hängt doch sicher auch von der Tiefe aus der die Felchen heraufgeholt werden ab. Ich konnte diesen Gasaustausch bei einigen Felchen beobachten, bei anderen funktionierte dieser leider nicht.

Danke für diese wirklich gute Erklärung

Sigi
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til
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Re: Druckausgleich bei Felchen aus grosser Tiefe

Beitrag von til »

Man muss sich auch bewusst sein, dass der Druckausgleich in der Schwimmblase nur ein Teil des Problems ist. Der andere Teil ist das Austreten von Gasbläschen im Blut. Wenn der Fisch nicht möglichst schnell wieder in die Tiefe zurück kann, hat er dadurch keine Chance zu überleben, auch wenn die Schwimmblase ok ist.
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